Donnerstag, 30. Juli 2015

Vergangene 116 Jahre - Auf Stöpels Spuren

und von Mudan (牡丹) bis Wushe (霧社)

Um noch einmal auf Karl Theodor Stöpels These zurück zu kommen: Es ist wirklich sehr erstaunlich, dass die Japaner, die vor 1898 den Yu Shan (玉山) bestiegen, den höchsten Gipfel verpasst haben.

Anfahrt von Norden in Richtung Yu Shan – Es gehört zu den seltenen Momenten, alle Gipfel des höchsten Berges Taiwans gleichzeitig sehen zu können.

Dennoch erscheint es merkwürdig, dass die Japaner nicht bei der Erstvermessung 1895 / 1896 auf den Gipfel mit den meisten Höhenmetern gestoßen sind. Entweder rasten sie mit Hochgeschwindigkeit über die Insel, um ihre Arbeit schnell abzuschließen oder es war ihnen ziemlich gleichgültig, alle Spitzen des Yu Shan zu betreten, nachdem sie den kalten, windigen und ungemütlichen Berg erklommen hatten. Wichtig dürfte gewesen sein, mit dem Yu Shan oder damals auf japanischen dem Niitakayama einen Berg im japanischen Herrschaftsbereich gefunden zu haben, der höher als der geheiligte Fujiyama ist.

Auch Karl Theodor Stöpel hatte 1898 das Tal im obersten Bild passiert, um zum Dorf Horsia, heute Hé shè (和社), zu kommen, wo er sich vor der Besteigung des Yu Shan aufhielt.

Damals sah es in Stöpels Tombo, also Tong-Pu oder Dōng bù (東埔), oberhalb von Horsia so aus. Eine primitive Brücke überspannt den Tombofluss, womit der Shālǐ Xiān Xī (沙里仙溪) gemeint sein dürfte.

In der selben Gegend war der Verfasser dieser Zeilen 116 Jahre später. Statt einer einfachen Konstruktion aus Baumstämmen war eine lange Hängebrücke mit Stahlseilen das Fotomotiv.

Wir haben uns gefragt, wie erstaunt Stöpel und seine Begleiter wären, wenn sie den gleichen Weg heute noch einmal nehmen könnten. Statt tagelang zu Fuß, getragen in Sänften oder geschoben auf Feldbahnwagen brächte der moderne japanische Leihwagen sie in wenigen Minuten zum Zielort. Um sicher zu reisen, bräuchte weder eines Mauser-Gewehrs in der Hand noch bewaffneter Soldaten als Begleiter. Kein Sino-Taiwaner kommt heute auf die Idee, sich im Guerillakampf gegen die Regierung aufzulehnen. Kein Ureinwohnerstamm steht in einer kriegerischen Fehde mit seinen Nachbarn und will ihnen die Köpfe abschneiden.

Heute windet sich eine moderne Schnellstraße aus Beton und Asphalt durch das weite Flußtal. Nur der Verkehr birgt eigentlich tödliche Risiken auf dem Eiland. In jedem Dorf lädt ein „7-Eleven“ oder „Family Mart“ zur Rast ein. Das Smartphone hat auf der gesamten Strecke besten Empfang und an den Hot Spots sind über Skype die Freunde aus Deutschland zu sehen. Trotz alledem sind die Menschen auf Taiwan neugierig geblieben, wenn ein europäisches Gesicht auftaucht.

Das hätte sich gewiß Stöpel so in den tiefsten Träumen nicht vorstellen können.!

Die radikalsten kulturellen Veränderungen erlebten sicherlich die Ureinwohner Taiwans. Sie verloren mit der japanischen Kolonisierung Taiwans völlig ihre Unabhängigkeit und Autonomie, endeten als benachteiligte Minderheit am Rand der Gesellschaft. Taiwan, heute demokratisiert und an der eigenen Identität arbeitend, verfolgt einen neuen Weg der Chancengleicheit und versucht – zwar mit chinesisch-taiwanischer Perspektive - die Restkultur der Ureinwohner anzuerkennen.

Die Bucht von Jiupeng (九棚) – Am 18. Oktober 1871 strandeten hier 66 Schiffbrüchige, die von Okinawa kamen.

Der große Wandel für die Ureinwohner begann, nachdem 54 der Schiffbrüchigen im südtaiwanischen Mudan (牡丹) 1871 umgebracht wurden. Japan forderte von China Wiedergutmachung. Dafür. Doch das kaiserliche China lehnte dies ab, da die Ureinwohner Taiwans außerhalb der chinesischen Gesetzgebung standen. So entschloss sich Japan zu einer Strafexpedition gegen die Ureinwohner vom Stamm der Paiwan,. Damit wurden auch außen- und innenpolitische Ziele Japans verfolgt wurden, etwa in einer Stärkung seiner Position gegenüber China. Bei den Kämpfen am Steintor kamen 30 Stammeskrieger und 6 Japaner ums Leben. 512 Japaner sollen zudem durch Erkrankungen während der Expedition und Besetzung ihr Leben verloren haben.

Auch noch zu Zeiten Stöpels, etwa 15 Jahre später, war offenbar Taiwan noch eine Malariahölle und von Krankheiten geplagt. Kein Wunder, dass die Evolution meine Frau so unappetitlich für Moskito gemacht hat. Nur die deutschen Zecken und Bremsen behalten den Bluthungerbei ihr.

Austragungsort der Schlacht am Steintor bei Mudan - Heute ist das Gebiet malariafrei. Kein Mückenstich war auf meiner sensiblen Haut. Im Gedenken an die Schlacht haben die Japaner ein Denkmal errichtet.

Aufgrund der strategisch bedeutsamen Lage gab es bis vor einigen Jahren in der dahinter liegenden Schlucht einen Militärposten. Nach der Aufgabe der militärischen Nutzung wurde eine kleine Ausstellung eingerichtet, in der über die Hintergründe und Details der damaligen Vorfälle berichtet wird.

Ein kleines Bergdorf in malerischer Lage - Dabei markierte Wushe (霧社) den vorläufigen Abschluss der Entwicklung für die Ureinwohner Taiwans als entrechtete Bevölkerungsgruppe.

Hunderte von Menschen kamen bei den kämpferischen Auseinandersetzungen zwischen Japanern und Ureinwohnern im Jahr 1930 dort ums Leben. Um den in Guerillataktik geführten Aufstand, niederzuwerfen, setzten die Japaner Giftgas ein und spielten die Stämme brutal gegeneinander aus. Das einem Völkermord gleichstehende Vorgehen wurde kritisiert und führt schließlich zur Änderung der Kolonialpolitik gegenüber den Ureinwohnern. Danach wurden sie stärker als Staatsangehörige betrachtet. Auf sie wurde kulturell wie sozial, etwa durch den Bau von Schulen, stark Einfluß genommen. In vielen Lebensbereichen verloren die Bergstämme ihre alten Traditionen und ihre Eigenständigkeit.

In Wushe erinnert der „Memorial Park“ an die damaligen Ereignisse. Ansonsten entspricht der verkehrsreiche Ort dem üblichen Siedlungsbild in Taiwans Bergen.

In 2011 verfilmte Regisseur Wei Te-Sheng (魏德聖), vor kurzem zu Besuch in Düsseldorf, mit „Seediq Bale“ glorios die Geschichte.

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