Mittwoch, 30. September 2015

Was dann?

Intime Überlegungen

Er begegnet einem immer noch in Taiwan, der Taifun sowieso, aber auch dieser kulturelle Abgrund. Aufnahme aus dem Jahr 2013.

Was dann, wenn nicht in den Pott?

Ihr könnt es trotzdem tun. Es passiert nichts, nichts geht kaputt oder wird verstopft. Mehr in die Details gibt es vielleicht im nächsten Monat.

Alles Gute für die beste Ehefrau von allen, Familie und Freunde, sämtliche Leserinnen und Leser taifungeplagte Taiwan!

Montag, 31. August 2015

Auffällig unauffällig

Bauarbeiterinnen in Taiwan

Bisher dachte ich, es wäre nur mir aufgefallen. Jetzt merkte es auch die beste Ehefrau von allen an. Es gibt eigentlich keine Bauarbeiterinnen in Deutschland. Erstaunlich und fremdartig für die Taiwanerin! Oder aus der Perspektive des deutschen Verfassers dieser Zeilen: In Taiwan sind Bauarbeiterinnen etwas so selbstverständliches, dass sie – bis auf dem beobachtenden Ausländer – niemanden auffallen.

Ausgetauscht haben wir uns über diese Erfahrung bei einem Bericht über die vielen Baustellen an Autobahnen und Fernstraßen in Nordrhein-Westfalen. Über Jahrzehnte wurde der notwendige Unterhalt im gebotenen Umfang unterlassen, damit (seit langem pensionierte oder bereits verstorbene) Politiker Geld für Prestigeprojekte und öffentlichkeitswirksame Neubauten ausgeben konnten. Dank der Rekordgewinne bei den Unternehmen und einer Steuerschwemme, für die nicht nur die Griechen sondern auch wir in diesem Land länger und für weniger Geld arbeiten dürfen, steht jetzt überreich Kapital zur Verfügung. An allen Ecken entstehen heute neue Baustellen, finanziert mit Bundesmitteln oder hoch gefördert als Landes- und Gemeindevorhaben. Da weiß der tägliche Berufspendler bald nicht mehr, wie er den ganzen Verkehrseinschränkungen entgehen soll.

Unter vielen Männern vom Landesstraßenbetrieb erschien in dem Bericht auch eine Frau. Nein, erklärte ich, dass ist keine Arbeiterin, sondern die Mitarbeiterin wird eine Verwaltungsangestellte sein, vielleicht eine Ingenieurin oder Technikerin in Gummistiefeln und Arbeitskleidung.

Im Dezember 2013 vervollständigt diese fleißige Arbeiterin den monumentalen neuen Bauabschnitt des Fo Guang Shan Klosters in Kaohsiung.

Wirkliche Emanzipation gibt es nicht, so hieß es im gestrigen Fernsehbeitrag über Femen, bevor die Damen ihre Brüste entblößten und gegen das Übel dieser Welt protestierten. Stimmt! Emanzipation gibt es nicht. Sicher hat auch das taiwanische Modell seine Nachteile: Wird das gleiche Einkommen gezahlt und besteht die gleiche soziale Absicherung zwischen den Geschlechtern? Auf jeden Fall ist es spannend, wie unterschiedlich sich die Kulturen ausgeprägt haben, was wir für selbstverständlich halten und sich traditionell verfestigt hat. Es geht eben nicht nur um Quoten bei den Positionen der Top-Manager.

Samstag, 1. August 2015

Willkommenskultur

Deutschland so beliebt!

Herzlich Willkommen in Deutschland! Schloss Neuschwanstein grüßt!

Wir befinden uns im Jahr 2015 n. Chr. Ganz Deutschland ist von einer Willkommenskultur besetzt. … Ganz Deutschland? Nein! Ein von unbeugsamen Bürokraten bevölkertes Institut hört nicht auf, der Idee Widerstand zu leisten.

Nun ja, die Idee der Willkommenskultur wurde primär vom Innenministerium propagiert, um die nötige Zuwanderung für Arbeitsmarkt und Rentenkasse zu fördern und für Verständnis zu sorgen, dass Deutschland und die Deutschen nicht alleine auf der Welt sind. Ob das auswärtige Amt auch dahinter steht, erscheint fraglich, wenn der Autor dieser Zeilen Berichte aus Taiwan hört, wie schwierig es ist, in angemessener Zeit ein Visum zu erhalten.

Den Umgang mit dem deutschen (Nicht-) Botschaft in Taiwan habe ich auch stets als schwierig empfunden. Das Lied „Mein kleiner grüner Kaktus“, von den Comedian Harmonists in Zeiten des Nationalsozialismus herausgebracht, was damals als Warteschleife am Telefon eingespielt wurde, entwickelte sich zum Haßlied.

Die deutsche (Nicht-) Botschaft in Taipei hat bis Ende August 2015 die telefonischen Sprechstunden am Freitag ausgesetzt, um der Bearbeitung der vielen Langzeitvisaanträge besser nachzukommen.

Damit gibt es nur noch die Möglichkeit zur Vorsprache in Visaangelegenheiten mit einem vereinbarten Termin über ein Online-Vergabesystem.

Vor einigen Tagen habe ich das mal getestet. Ergebnis meines kleinen Tests war nach einigen Klicks:

504 Gateway Time-out

The server didn't respond in time.

Vorgestern ging es besser.

Hmm, wie war das noch mit der Barrierefreiheit im Internet und den deutschen Rechtsgrundlagen?

Immerhin kam ich bis zu den Terminen durch. Im August gab es kein Terminangebot.

Im Dezember 2015 habe ich aufgehört weiter zu klicken.

Da werden junge Taiwaner, die in Deutschland studieren wollen, herausgefordert und lernen gleich, warum der „Hauptmann von Köpenick“ im ihrem Zielland so populär wurde. Ohne Zulassung einer deutschen Universität kein Visum, nach Erhalt der Universitätszulassung kaum Chance zeitnah einen Termin für das Langzeitvisum zu bekommen, ohne Visum kein Studium zum angestrebten Zeitpunkt in Deutschland.

So hat sich denn quasi ein „Schwarzmarkt“, eine Austauschbörse im Netz, für Termine beim deutschen Institut entwickelt. Liegt es am billigen Euro und an der florierenden Wirtschaft, dass dieses Land so beliebt ist? Wirtschaftfördernd greift das auswärtige Amt noch ein, indem es schneller Visa für Sprachstudien erteilt, die dann in Deutschland in Studentenvisa umgewandelt werden können. Gewöhnlich kann keine Änderung des Visa-Zwecks und damit des Visums in Deutschland vorgenommen werden. Welche Sprachschul-Lobby hat sich denn da durchgesetzt?

Deutschland lockt mit Super-Attraktionen, doch es wird unseren Gästen nicht leicht gemacht.

Die Marienbrücke, Standort für das vorhergehende Foto, wird ab dem 3. August 2015 für voraussichtlich etwa vier Monate gesperrt. Einer der besten Fotostandpunkte mit Schloß Neuschwanstein geht damit erst einmal verloren. Ein Schock für die Touristenwelt!

Richtig ist sicherlich, die Zahl der Besucher auf das Brücke durch ein Drehkreuz oder ähnliches zu begrenzen, wie es jetzt beabsichtigt wird. Mich erstaunte, wieviele Menschen die Brücke aushält. Die Holzbohlen bogen sich allerdings schon unter den Füßen.

Leider sind einige der Mitbesucher rempelnde Hooligans, wozu auch Damen aus Fernost zählen. Also hieß es, geschickt einen gute Positon auf der Brücke zu erreichen, einen festen Standort einzunehmen und zu verteidigen, zu knipsen und dann wieder schnell von der belasteten Brücke flüchten.

Bei den letzten Besuchen vor etlichen Jahren hatte ich niemals eine solche Situation erlebt. Während dieses touristische Interesse von reichen Nord- und Südamerikanern, Asiaten, Australiern, Malayen und Indonesiern, Osteuropäern und Russen Deutschland schmeichelt, wird eine andere Zuwanderung kritisch gesehen. So hat die deutsche Botschaft in Tirana Anzeigen in albanischen Zeitungen geschaltet, die vor der Armutsflucht warnen. Das wirkt sehr hilflos. Vermutlich führt kein Weg an einem vereinten Europa vorbei, dass einen gemeinsamen Haushalt mit einem Länderfinanzausgleich hat, eine gemeinsame Sozial- und Wirtschaftspolitik verfolgt, für gleichwertige Lebensverhältnisse und gleiche Rechte sorgt. Wenn es schon in Europa nicht gelingt, in allen Ländern ein verantwortliches politisches Management zu installieren, was den Menschen dient, wie sollen dann erst lebenswürdige Zustände in Afrika oder im nahen Osten hergestellt werden?

Das die beste Ehefrau von allen angesichts der zunehmenden Zahl von Flüchtlichen erwägt, mit Pegida zu sympathisieren, stellt sicherlich keine Lösung dar. Gerade die Flüchtlinge aus der Fremde sind am wenigsten an ihrem Schicksal und ihrer Verzweifelung schuld.

Donnerstag, 30. Juli 2015

Vergangene 116 Jahre - Auf Stöpels Spuren

und von Mudan (牡丹) bis Wushe (霧社)

Um noch einmal auf Karl Theodor Stöpels These zurück zu kommen: Es ist wirklich sehr erstaunlich, dass die Japaner, die vor 1898 den Yu Shan (玉山) bestiegen, den höchsten Gipfel verpasst haben.

Anfahrt von Norden in Richtung Yu Shan – Es gehört zu den seltenen Momenten, alle Gipfel des höchsten Berges Taiwans gleichzeitig sehen zu können.

Dennoch erscheint es merkwürdig, dass die Japaner nicht bei der Erstvermessung 1895 / 1896 auf den Gipfel mit den meisten Höhenmetern gestoßen sind. Entweder rasten sie mit Hochgeschwindigkeit über die Insel, um ihre Arbeit schnell abzuschließen oder es war ihnen ziemlich gleichgültig, alle Spitzen des Yu Shan zu betreten, nachdem sie den kalten, windigen und ungemütlichen Berg erklommen hatten. Wichtig dürfte gewesen sein, mit dem Yu Shan oder damals auf japanischen dem Niitakayama einen Berg im japanischen Herrschaftsbereich gefunden zu haben, der höher als der geheiligte Fujiyama ist.

Auch Karl Theodor Stöpel hatte 1898 das Tal im obersten Bild passiert, um zum Dorf Horsia, heute Hé shè (和社), zu kommen, wo er sich vor der Besteigung des Yu Shan aufhielt.

Damals sah es in Stöpels Tombo, also Tong-Pu oder Dōng bù (東埔), oberhalb von Horsia so aus. Eine primitive Brücke überspannt den Tombofluss, womit der Shālǐ Xiān Xī (沙里仙溪) gemeint sein dürfte.

In der selben Gegend war der Verfasser dieser Zeilen 116 Jahre später. Statt einer einfachen Konstruktion aus Baumstämmen war eine lange Hängebrücke mit Stahlseilen das Fotomotiv.

Wir haben uns gefragt, wie erstaunt Stöpel und seine Begleiter wären, wenn sie den gleichen Weg heute noch einmal nehmen könnten. Statt tagelang zu Fuß, getragen in Sänften oder geschoben auf Feldbahnwagen brächte der moderne japanische Leihwagen sie in wenigen Minuten zum Zielort. Um sicher zu reisen, bräuchte weder eines Mauser-Gewehrs in der Hand noch bewaffneter Soldaten als Begleiter. Kein Sino-Taiwaner kommt heute auf die Idee, sich im Guerillakampf gegen die Regierung aufzulehnen. Kein Ureinwohnerstamm steht in einer kriegerischen Fehde mit seinen Nachbarn und will ihnen die Köpfe abschneiden.

Heute windet sich eine moderne Schnellstraße aus Beton und Asphalt durch das weite Flußtal. Nur der Verkehr birgt eigentlich tödliche Risiken auf dem Eiland. In jedem Dorf lädt ein „7-Eleven“ oder „Family Mart“ zur Rast ein. Das Smartphone hat auf der gesamten Strecke besten Empfang und an den Hot Spots sind über Skype die Freunde aus Deutschland zu sehen. Trotz alledem sind die Menschen auf Taiwan neugierig geblieben, wenn ein europäisches Gesicht auftaucht.

Das hätte sich gewiß Stöpel so in den tiefsten Träumen nicht vorstellen können.!

Die radikalsten kulturellen Veränderungen erlebten sicherlich die Ureinwohner Taiwans. Sie verloren mit der japanischen Kolonisierung Taiwans völlig ihre Unabhängigkeit und Autonomie, endeten als benachteiligte Minderheit am Rand der Gesellschaft. Taiwan, heute demokratisiert und an der eigenen Identität arbeitend, verfolgt einen neuen Weg der Chancengleicheit und versucht – zwar mit chinesisch-taiwanischer Perspektive - die Restkultur der Ureinwohner anzuerkennen.

Die Bucht von Jiupeng (九棚) – Am 18. Oktober 1871 strandeten hier 66 Schiffbrüchige, die von Okinawa kamen.

Der große Wandel für die Ureinwohner begann, nachdem 54 der Schiffbrüchigen im südtaiwanischen Mudan (牡丹) 1871 umgebracht wurden. Japan forderte von China Wiedergutmachung. Dafür. Doch das kaiserliche China lehnte dies ab, da die Ureinwohner Taiwans außerhalb der chinesischen Gesetzgebung standen. So entschloss sich Japan zu einer Strafexpedition gegen die Ureinwohner vom Stamm der Paiwan,. Damit wurden auch außen- und innenpolitische Ziele Japans verfolgt wurden, etwa in einer Stärkung seiner Position gegenüber China. Bei den Kämpfen am Steintor kamen 30 Stammeskrieger und 6 Japaner ums Leben. 512 Japaner sollen zudem durch Erkrankungen während der Expedition und Besetzung ihr Leben verloren haben.

Auch noch zu Zeiten Stöpels, etwa 15 Jahre später, war offenbar Taiwan noch eine Malariahölle und von Krankheiten geplagt. Kein Wunder, dass die Evolution meine Frau so unappetitlich für Moskito gemacht hat. Nur die deutschen Zecken und Bremsen behalten den Bluthungerbei ihr.

Austragungsort der Schlacht am Steintor bei Mudan - Heute ist das Gebiet malariafrei. Kein Mückenstich war auf meiner sensiblen Haut. Im Gedenken an die Schlacht haben die Japaner ein Denkmal errichtet.

Aufgrund der strategisch bedeutsamen Lage gab es bis vor einigen Jahren in der dahinter liegenden Schlucht einen Militärposten. Nach der Aufgabe der militärischen Nutzung wurde eine kleine Ausstellung eingerichtet, in der über die Hintergründe und Details der damaligen Vorfälle berichtet wird.

Ein kleines Bergdorf in malerischer Lage - Dabei markierte Wushe (霧社) den vorläufigen Abschluss der Entwicklung für die Ureinwohner Taiwans als entrechtete Bevölkerungsgruppe.

Hunderte von Menschen kamen bei den kämpferischen Auseinandersetzungen zwischen Japanern und Ureinwohnern im Jahr 1930 dort ums Leben. Um den in Guerillataktik geführten Aufstand, niederzuwerfen, setzten die Japaner Giftgas ein und spielten die Stämme brutal gegeneinander aus. Das einem Völkermord gleichstehende Vorgehen wurde kritisiert und führt schließlich zur Änderung der Kolonialpolitik gegenüber den Ureinwohnern. Danach wurden sie stärker als Staatsangehörige betrachtet. Auf sie wurde kulturell wie sozial, etwa durch den Bau von Schulen, stark Einfluß genommen. In vielen Lebensbereichen verloren die Bergstämme ihre alten Traditionen und ihre Eigenständigkeit.

In Wushe erinnert der „Memorial Park“ an die damaligen Ereignisse. Ansonsten entspricht der verkehrsreiche Ort dem üblichen Siedlungsbild in Taiwans Bergen.

In 2011 verfilmte Regisseur Wei Te-Sheng (魏德聖), vor kurzem zu Besuch in Düsseldorf, mit „Seediq Bale“ glorios die Geschichte.

Montag, 27. Juli 2015

Unerreichbar unbestiegen

Taiwan und Deutschland, Deutschland und Taiwan!

Es geht auch schon mal entgegen der Erfahrungen umgekehrt. Außergewöhnliche Orte in Taiwan sind gewöhnlich von hoher Nutzungsdichte geprägt, übermäßig zugebaut und durch viele Menschen stark frequentiert. Demgegenüber ist Deutschland eher leer, meist hübsch gestaltet, aber auch öde. Klassiker waren hier die Mittelpunkte Taiwans und Deutschland. Ganz anders präsentieren sich die höchsten Punkte der beiden Staatsgebilde, frisch erlebt an einem der letzten Wochenenden im Süden Bayerns und früher in Taiwan zum Jahresübergang 2013/2014.

Der Aufstieg zu Taiwans mit 3952 Metern höchsten Berg, dem Yu Shan (玉山) oder Jadeberg, stellt sich schwierig dar. Er führt, sofern man nicht eine Strafe oder die komplette Kostenerstattung für einen möglichen Rettungseinsatz in Kauf nehmen will, nur über eine förmliche Erlaubnis der Nationalparkverwaltung. Diese Zugangserlaubnis kann auch online beantragt werden. Zudem gehört ein gewisses Maß an Training und körperlicher Fitness der Yu-Shan-Besteiger :-) dazu, was mir gegenwärtig so fehlt.

Es fehlt in Taiwan an Seilbahnen, Eisenbahnstrecken oder Straßen, um auf den höchsten Punkt Südostasiens – so eingruppiert nach Wolfgang Senftleben, Autor von Mai´s Weltführer 26 „Taiwan“ im Jahr 1995 - zu kommen. Senftleben war übrigens selber dort oben und posierte vor der Bronzebüste von Yu You-Ren (于右任), einem Gelehrten und Politiker der Republik China, der von 1879 bis 1964 lebte, zuletzt in Taiwan.

Nach Senftlebens Besuch, nämlich 1996, wurde die Büste von Taiwan-Aktivisten mehrmals vom Sockel gestürzt. Beim dritten Mal soll sie vom Gipfel so in eine Bergschlucht gefallen sein, dass sie nicht wieder gefunden werden konnte. Taiwans schöne Natur sollte nicht, durch Territorialmarken der KMT verunstaltet werden, so wie ein Hund durch Pinkeln sein Revier markiert. Dabei hatte es die damalige Regierungspartei nur gut gemeint. Damals waren die Territorialmarkensetzer noch in dem Glauben, dass der Berg eine Höhe von 3.997 Metern hat. Sie wollten mittels eines kleines Bauwerks, dessen oberen Abschluss Yu You-Rens Glatze und ein Blitzableiter bildeten, die 4.000 Meter erreichen.

Angesichts der schlechten Erschließung des Berges bleibt nur der sehnsüchtige Blick etwas oberhalb der Berghütte von Tǎ Tǎ Jiā (塔塔加) auf die entrückten Spitzen des mächtigen Gebirges. Selbst dabei macht der Yu Shan es dem Bewunderer der atemberaubenden Landschaft nicht einfach. Hier ist nur die Nordspitze (in höherer Auflösung mit der Wetterstation) zu sehen. Der Hauptgipfel liegt weiter rechts und hielt sich an dem Tag bedeckt im Wolkenschleier.

Beliebtester Einstiegspunkt zum Bergsteigen ist die Gegend um Tǎ Tǎ Jiā (塔塔加). Hinter dem beschaulichen Besucherzentrum zeigt sich der Jadeberg besonders schüchtern und versteckt sich in den Wolken.

Nach der Übernahme Taiwans als Kolonie erfolgte durch die japanische Armee vom Juli 1895 bis zum September 1896 die Landvermessung. Dabei wurde der Yu Shan mit 3776 Metern über dem Merresspiegel aufgenommen. Der Berg erhielt den Namen Niitakayama, was etwa „neuer höchster Berg“ heisst, da er den Fujiyama in Höhe überragt. In westlichen Atlanten tauchte er zuvor als Mount Morrison auf, noch früher benannten ihn die verschiedenen Ureinwohnerstämme, die um ihn herum leben, in ihren jeweils eigenen Sprachen.

Google hatte mehr Glück und präsentiert Taiwans Berg erster Klasse im „Street View“ wolkenfrei.

Den höchsten Berg der Deutschen hat als Erstbesteiger ein gebürtiger Tiroler aus Reutte erklommen. Joseph Naus war in bayerischem Dienst und sein Geburtsort Reutte liegt am Fuß der Zugspitze.

Mehr verwundert es, dass sich als offizieller Erstbesteiger des Yu Shan der Deutsche Karl Theodor Stöpel rühmt, der am zweiten Weihnachtstag 1898 auf dem höchsten Punkt von Taiwans Berg Nr. 1 war. Wie er da hochgekommen ist und was er sonst noch auf der Insel Formosa erlebt hat, lässt sich in seinem Buch und im Google-Archiv gut nachlesen.

Wer zum Lesen zu faul ist, kann seinem „Stöpel“ auch als Hörbuch über Youtube genießen. Bedauerlich, dass der Vorleser offenbar kein gelernter Profi ist. So lädt das Werk nicht dazu, den Berichten über die Abenteuer von Herrn Stöpel (etwa mit der an ihn gerichteten Frage „Darf ich Ihrem chinesischen Dolmetscher den Kopf abschneiden?“) bei der morgendlichen und nachmittäglichen Autofahrt zu lauschen. Besser geht es mit der Lesebrille.

Übrigens werden als Erstbeisteiger für das Jahr 1900 werden im englischen Wikipedia Torii Ryūzō und Mori Ushinosuke genannt. Laut Stöpel sollen bereits die Japaner Saito und Prof. Honda das Massiv ein Jahr vor ihm erklommen haben. Die hatten aber nicht - wie Stöpel - die höchste Spitze des Yu Shan betreten, sondern nur den von ihm so genannten niedrigeren Saito-Gipfel. Stöpel vermutete, dass der Hauptgipfel hinter den Wolken verschwunden war und die Japaner ihn so nicht wahrgenommen haben. Mit Blick auf das Foto oben kann ich bestätigen, dass dies durchaus möglich war.

Die alte japanische Flagge ersetzte Stöpel auf dem Berg durch eine neue. Unter einem Stein - nach seiner Berechnung auf dem höchsten Gipfel des Yu-Shan in einer Höhe von 4050 m - hat Stöpel am 26.12.1898 gegen 13 Uhr sein in schwarz-weiß-roten Farben gehaltenes Taschentuch deponiert. Zudem hintergelegte er ein Schreiben an den deutsch-österreichischen Alpenverein, das später durch einen nachfolgenden Kletterer zurückgesandt wurde.

Es lohnt sich also den Yushan zu besuchen, da es dort nicht nur bei gutem Wetter eine schöne Aussicht gibt und der Berg eine sportliche Herausforderung darstellt. Es gibt auch einiges dort zu entdecken. Die verlorene Büste von Yu You-Ren, die Überreste der japanischen Flagge und Stöpels altes Taschentuch. Hatte er es benutzt, könnte mittels einer DNA-Analyse die Echtheit und damit auch die Überlegenheit der nordisch-europäischen Herrenrasse nachgewiesen werden. Während Ureinwohnern und Chinesen der unwirtliche Berggipfel gleichgültig war, die Japaner im Nebel stapften und den Gipfel verpassten, ist es dem Deutschen gelungen, hier sein Taschentuch zu verstecken.

„Unfug“, sagt die beste Ehefrau von allen, die dabei ist zum Telefon zu greifen, um den Notarzt mit zwei kräftigen Pflegern für meine Einlieferung zu bestellen. „Natürlich waren Menschen aus der lokalen Bevölkerung da oben, um die Gegend zu erkunden. So schwierig ist der Berg nicht zu besteigen. Warum sollten sie dort nicht hingegangen sein?“ Gleiches gilt natürlich auch für die Zugspitze vor 1820. Die Besteigungen erfolgten lediglich nicht staatlich beauftragt zur Landvermessung und -aneignung oder als offizielle Expedition deklariert, sondern von einfachen Menschen, wie Hirten, Jägern oder Bergbauern.

In der Tat und trotz der erforderlich Zugangserlaubnis kann es auf dem Yu Shan ziemlich voll werden. Da ist es wieder das wohlbekannte Taiwan mit seiner Dichte an Menschen.

Spuren - und zwar jede Menge – haben auch die Taiwaner auf dem höchsten Berg der Deutschen hinterlassen. Kurz vor der bayerischen Staatsgrenze ist die Wand im Zugang zur österreichischen Bergstation vollgekritzelt. Das Ganze gipfelt in dem üblichen taiwanischen-chinesischen Austausch als Wandzeitung: „Taiwan ist unabhängig“ durchgestrichen „Nein, ist es nicht. Es ist untrennbarer Teil Chinas“ und so weiter.

Zurück in der alpinen Realität: Überwiegend Taiwaner in diesem Foto im echten Schnee auf der Aussichtsterrasse an der Tiroler Seite des Zugspitzgipfels. Dies übertrifft gewiß die visuelle Illusion von Schnee auf Taiwan, so bei den Salzbergen von Cigu (oder Qigu / 七股).

Hatte die beste Ehefrau von allen noch vor 15 Jahren große Freude an der Kontaktaufnahme mit Landsleuten im Ausland, so ist diese Begeisterung heute einer Gleichgültigkeit gewichen. Zu groß ist der Touristenstrom aus Asien, der seit langem nicht mehr von den Japanern dominiert wird. Zu stark sind die taiwanischen Netzwerke in Deutschland, Globalisierung und die weltumfassende Kommunikation, um dies noch als eine besondere Begegnung wahrzunehmen. Wie sich die Welt verändert hat!

Vielmehr kommt hier das Gefühl auf, zu Hause in Taiwan zu sein. Fast ein Nachtmarkt zeigt sich vor dem Münchner Haus. Die Top-Attraktionen sind Deutschlands höchster Bratwurststand, Deutschlands höchster Biergarten und Zugspitz-Kuhglocken. Nie zuvor habe ich so einen zugebauten Berggipfel gesehen, sagt die Taiwanerin.

Klettern auf der Baustelle. Die Attraktion, das Gipfelkreuz verschwindet irgendwo zwischen Baustellenzäunen, Metallkonstruktionen, Kränen und Baumaschinen. Wie Erdaushub erscheint der Gipfel. Das Kreuz wirkt etwas fehlplatziert. Und die Menschen? Wer hat nicht als Kind gerne auf der Baustelle gespielt und fand das total abenteuerlich?

In Deutschland lag es nicht an der körperlichen Fitness, einer fehlenden Zugangserlaubnis oder mangelhafter Vorbereitung. Es war vielmehr der Gipfelstau, der vom Erreichen des höchsten Punktes dieses Landes abhielt.

Selbst wenn es heute abgesichts der Flüchlingsströme weg von Armut und Krieg noch nicht so aussieht, aber wer vermag ernsthaft daran zweifeln, dass sich auf mittlere Sicht die Lebensverhältnisse auf den wesentlichen Teilen dieses Planeten weitestgehend angleichen werden?

Dienstag, 30. Juni 2015

Der blinde Mann

Hallo, Schatzi!

Griechenland geht das Geld aus, Europa ist ratlos, hunderte von Menschen in Taiwan verletzt und der IS unbesiegt. Nicht genug dieser Nachrichten, da entpuppt sich der neue Chef im Büro als ein beratungsresistenter und nervender Idealist, der nicht einmal weiß, was er will.

In einer wahnsinniger werdenden Welt wächst der Wunsch stetig, sich wohl zu fühlen und Geborgenheit zu finden. Auf Taiwan kann das Gästehaus Seasonstar zumindest für einige Tage Ruhe und Erholung bieten.

Wie schön ist es hier in Deutschland, sich abends im Eigenheim auf das kinderlose Familienleben zu konzentrieren und an die beste Ehefrau von allen zu kuscheln.

Doch werde ich mittlerweile mißtrauisch, wenn sie mich „Schatziˮ ruft. War das nicht „Xiāziˮ (瞎子), was aus ihrem Mund kam?

Aufgepasst in taiwanisch-deutschen Partnerschaften: „Xiāziˮ (瞎子) ist nicht der geliebte Schatz, sondern bedeutet blinder Mann. So stolpert denn der Ehegatte blind und unwissend aus der Sicht der Angetrauten durchs Leben.

Blind durchs Leben – In Taiwans Aufzügen hilft auch die Brailleschrift den obligatorischen Knopf zum schnelleren Schließen der Türen zielgerichtet zu drücken.

Mal schauen, welche Fallstricke im nächsten Monat gespannt sind.

Samstag, 30. Mai 2015

Fußmassage

Nach dem Motto: Das können wir doch besser!

Kaum eine Parkanlage in Taiwan verfügt nicht über einen kleinen Parcours mit herausstehenden Kieselsteinen. Die l-förmige Anlage im obigen Bild am Lotus-See in Kaohsiung wurde von mir bereits im Dezember 2004 dokumentiert.

In Asien sind Massagen beliebt und werden als besonders gesundheitsfördernd werden. Daher wurden viele solcher Anlagen eingerichtet. Mit nackten Füßen soll beim Begehen der welligen Oberflächen mit wechselnden Belastungssituationen für die Sohle eine stimulierende Massagewirkung auf verschiedene Fußregionen erreicht werden. Ausprobiert habe ich das selber noch nie. Ich gehöre nicht zu den klassischen Barfußgängern. Das sind mehr die Taiwaner, die in ihrer subtropischen Klimazone sich gerne dem Fuß-Nudismus hingeben. Das führt dann zu etwas derberen Fußunterseiten als im stärker fußsensiblen Mitteleuropa. Die einmalige Testbegehung erscheint mir nicht so sinnig und genußversprechend. Wirkliche gesundheitsfördernde Effekte sind vermutlich auch nur bei regelmäßiger Nutzung der Kieselstrecke zu erwarten. Ob es eine Studie zu den Wirkungen gibt?

Daran, irgendwelche Nachahmerprojekte in Deutschland gesehen zu haben, kann ich mich nicht erinnern. Vielleicht gab es mal etwas auf einem Landes- oder Bundesgartenschaugelände.

Aber jetzt habe ich einen Beleg! Wir haben das auch in Deutschland und sogar besser, von wegen kleine Minikiesel aus Beton gewaschen mit Ruhebank. Im Staatsbad Oeynhausen wird mit soliden Bruchsteinen und harten Stahl gearbeitet. Da kommt doch richtige Fußfreude auf!

Wenigsten konnten nach der Internetrecherche die Geocacher zur Aufklärung beitragen, dass die Installationen dann doch weniger der Fussmassage dienen sollen, als vielmehr die (geologischen) Verwerfungen in Bad Oeynhausen - als Kunst ausformuliert - aufnehmen und darstellen.

Montag, 25. Mai 2015

Cloud Gate in Wolfsburg

Tanztheater statt Fertigrasen

Noch ein Top-Kulturschaffender Taiwans war in Deutschland. Und wieder gab es die Chance, ihn zu sehen!

Auf der Rückreise von Berlin im April 2014 diskutierte ich mit meiner Frau im Zug, ob Fertigrasen in einem rückwärtigen Teil unseres Gartens gedeihen kann. Meiner Auffassung und allen Fachinformationen nach, ist Rasen in trockener Hanglage unter großen Bäumen das völlig falsche Gewächs. Ein Versuch mit einer Ansaat war schon gescheitert. Efeu, Storchenschnabel und andere schattenverträgliche Stauden, die auch Trockenzeiten überleben, sind das einzig geeignete Pflanzenmaterial zur Begrünung eines solchen Biotops. Meine Frau gehört zu den Taiwanerinnen, die sich durch Fakten nicht verwirren lassen. Und so wetteten wir beim Halt des ICE in Wolfsburg vor der im Sonnenschein strahlenden Autostadt und dem Erfolg, wie Selbstvertrauen verströmenden VW-Werk, um einen Kurzurlaub in der „Erlebnisstadt″.

Das VW-Werk und die Autostadt lockten. Die Blick aus dem ICE reizte zum Kurzurlaub im Zonenrandgebiet der niedersächsischen Provinz.

Natürlich scheiterte der Fertigrasenversuch. Der Rollrasenbauer hatte zwar gewarnt und gab schon den Tip, wenn er eingeht, können wir wieder bei ihm neue Matten kaufen. Wer nicht hören will, …. Naja, es lag es am falschen Boden, auf dem der Rasen angezüchtet war, oder am fehlerhaften Einbau durch den Ehemann, dass das geschlossene, satte Grün sich nach einigen Wochen rasch zurückzog und nur eine dunkle Bodenkrume blieb. Am Himmelfahrts-Wochenende 2015 bot jedenfalls das Programm in der Autostadt die beste Gelegenheit, die verlorene Wette einzulösen.

Dabei konnte ich auch nach Massimo Vitalis Fotostandpunkt in der Autostadt Ausschau halten. Wie absurd wir unsere Umwelt gestalten!

In der Volkswagens Kinderfahrschule werden den Kleinen die richtigen Marken nahegebracht, der Wunsch nach einem fetten Touareg oder Tiguan implantiert und Toleranz für Staus und die sensible Anfälligkeit unseres niedrigintelligenten, geradezu schwachsinnigen Verkehrssystems frühzeitigst eingeübt. Sprich: ein Unfall, ein Fehlverhaltens eines Verkehrsteilnehmers, irgendwo auf einer Autobahn in der Region reicht, um Hundertausenden von Menschen Stunden zu nehmen, Blechlawinen über die verworrendsten Wege zu schicken und die Hilflosigkeit dieser Gesellschaft bereits bei Alltäglichkeiten vorzuführen.

Der taiwanische Tänzer, Schriftsteller und Choreograf Lin Hwai-Min (林懷民) gastierte mit seinem „Cloud Gate″ Tanztheater beim Festival „Movimentos″ in der Wolfsburger Autostadt. Es gab vier Auftritte, davon zwei mit dem Werk „Reis″.

Ort der Aufführung mit feinster illuminierter Industriearchitektur war im umgestalteten ehemaligen Kraftwerk Süd, direkt am Mittellandkanal und ehemaligen Hafenbecken des VW-Werks in Wolfsburg gelegen.

Die Einführung gaben der künstlerische Leiter des Festivals Bernd Kauffmann und als Kulturberater Jürgen Wilcke.

Nach der ersten Worten durch Kauffmann referierte Wilcke über Lin Hwai-Min, und Taiwan. Einige kleine Irrtümer zu Taiwan in seinem Vortage konnte ich ignorieren, besonders da meiner Frau seine Präsentation gut gefiel. Nun sind das Verhältnis Taiwan – China – Deutschland und die Geschichte der Pazifikinsel auch nicht einfach. Und so ein Kulturberater soll bei so einem umfangreichen Festivalprogramm die vielfältigsten Themenbereiche abdecken, was schon beachtlich ist. Angesichts des schönen Abends und der Aufführung des Tanztheaters sind die kleinen Fehlerchen für mich bereits in Vergessenheit geraten.

Bernd Kauffmann konzentrierte sich auf das Werk selber. Der Reis, das wohl wichtigste Lebensmittel Asiens, steht im Mittelpunkt des Stücks. Lin Hwai-Min schaut nach Osttaiwan, auf Chihshang, wo seit sehr langer Zeit hochwertige Reis angebaut wird. Das Werden der Frucht, der Wechsel auf dem Feld, die Arbeit der Menschen und ihr Verhältnis zum natürlichen Prozess waren im Stück gut angesichts der Ausführungen von Kauffmann nachzuvollziehen. Sicher hat jeder seine eigene Interpretation und Sichtweise, was die die gezeigten Szene betrifft. Das muss nach nicht unbedingt in jedem Punkt der Auslegung Kauffmanns fogen, was auch okay ist. Jedenfalls waren wir froh, die Einleitung als Orientierung und durchaus auch spätere Grundlage für die eigenen Diskussionen mitbekommen zu haben.

Selbstredend waren alle Sitze ausverhauft.

Die Taiwan-Gemeinschaft in Deutschland trat aber nicht so Erscheinung, wie dies vielleicht an Veranstaltungsorten wie Berlin oder Düsseldorf der Fall gewesen wäre. Die asiatischen Besucher mit denen wir Kontakt hatten, so beim Frühstück im Hotel, stammten aus China. Dabei fällt auf, dass die jüngere chinesische Generation kaum noch von den Taiwanern in ihrer Altergruppe zu unterscheiden ist.


Mitschnitte aus der Aufführung „Reis″ zeigt die Autostadt über Youtube. Die Nähe und Qualität der Aufnahme spricht dafür, bei der Sitzplatzwahl nicht zu sparsam zu sein.

Langanhaltender Applaus für Lin Hwai-Min und das Ensemble zum Ende. Eine Pause gab es nicht. Die hätte auch den Fluss im Spiel und den Spannungsbogen unangenehm unterbrochen.

Das „Cloud Gate Dance Theatre Of Taiwan″ verabschiedete sich mit dieser Aufführung aus Wolfsburg.

Im April 2015 wurde dasCloud Gate Theater in Tamsui neu eingeweiht. Aus der Erfahrung meiner Jahre in Wuppertal, als Pina Bausch noch lebte, dürfte es schwierig sein, für ein international so erfolgreiches Tanztheater, das ständig auf dem ganzen Erdball gefragt und unterwegs ist, in der Heimatstadt, wo viel geübt und vorbereitet, wird Karten zu bekommen. Aber Ausstellungen und Gastspiele, die Lage und Architektur des Gebäudes können schon ein Grund sein, sich wieder auf den Weg nach Tamsui zu begeben.

Eine bequeme Rückfahrt bot die Fähre für die Theaterbesucher über den Mittellandkanal. Ohne lange Fußwege waren Zentrum und Parkplätze am Bahnhof schnell erreichbar. Genauso erfreulich war, dass vom Fussballspiele zwischen dem Vfl Wolfsburg und Borussia Dortmund nicht die von uns erwartete Spur der Verwüstung zurück geblieben war.

Alte Käfer begleiteten unsere Rückfahrt auf der ehemaligen Reichsautobahn. Die Brezelfenstervereinigung hatte das Wochenende zum Frühjahrstreffen in Wolfsburg genutzt.

Samstag, 23. Mai 2015

Von Waldmöpsen und Jägermeistern

Taiwan – Grüne Insel im Taifun

Vor einigen Tagen wurde eine interessante TV-Produktion aus dem Jahr 2004 wiederholt. „Taiwan – Grüne Insel im Taifun‟ lautete der Titel der Fernsehsendung über die Natur und das Tierleben auf der subtropischen Insel. Der Betrachter fühlte sich fast in das unberührte Taiwan des 17. Jahrhunderts zurück versetzt, bevor die Holländer mit einer systematischen Siedlungspolitik auf dem Eiland begannen. Wenig ist vom technisierten und lebenfeindlichen Gewusel in Taiwans Städten zu sehen.


Die knapp 45 Minuten sind auch über Youtube verfügbar. So schön kann Taiwan sein.

Der Gedanke an Loriots Waldmöpse, denen kürzlich in Brandenburg ein Denkmal gewidmet wurde, liegt beim Anblick von Taiwans Mini-Rehen oder Bergschafen, nahe.

Meine eigene Begegnung mit dem Shān Qiāng (山羌), Muntiacus reevesi micrurus), dem scheuen Waldtier, unerwartet auf Kaohsiungs Affenberg im Frühjahr 2004.

Mit meiner ersten Einschätzung als Shān Yáng (台灣長鬃山羊, Taiwan-Serau, Naemorhedus swinhoei oder Capricornis swinhoei) lag ich ziemlich daneben. Da hat mich wohl der taiwanische Akzent im Mandarin-Chinesisch der besten Ehefrau von allen fehlgeleitet, höhm. Shān Qiāng und Shān Yáng liegen nun wirklich dicht zusammen. Hilfreich bei der Klärung war die Liste geschützter Arten auf Taiwan in Wikipedia. Bei der westlichen Namensnennung hat wieder Konsul Swinhoe die Chance ergriffen, der Tierart seinen Namen aufdrückt und versucht, sich zu verewigen. Das Shān Qiāng hört hingegen auf den Namen John Reeves, einem Naturforscher und Teeinspektor der Britisch East India Company, der 19 Jahre in China arbeitete.

Ebenfalls ziemlich scheu ist der Sikahirsch, den es sich zwar auch im Sauerland eingebürgert hat, aber in seinen ursprünglichen taiwanischen Habitaten vom Aussterben bedroht ist. Das Wild kam hier besser vor die Kamera, da es im Gehege auf dem Gelände des Sisal-Museum von Hengchuen nicht weglaufen konnte. Dem Thema „Evolution und Sikahirsch″ hatte ich mich schon einmal hier aus anderer Perspektive nach dem Besuch des nationalen Museums für Meeresbiologie, auch in Hengchuen, angenähert.

Wahrscheinlich beruht die Gefahr auf Taiwan zu verschwinden, wie so oft bei gefährdeten Arten, darauf, dass der Sikahirsch einfach zu zu lecker. Dazu passt gut der Artikel aus „Taiwan Heute″ , der Eßgewohnheiten und ein mangelndes Bewußtsein für die Bedrohung der Tierwelt Taiwans anspricht. Mir selbst wurden Jagdgeschichten von unserem Unterkunftgeber in Osttaiwan berichtet, wo die lokale Bevölkerung vor allem zum Zeitvertreib Flughunden nachstellt. Es gibt eine bejagbare Arte und eine geschützte Art von Flughunden. Leider sind die Unterschiede zwischen den Arten sehr gering und erst dann feststellen, wenn das Tier erlegt ist.

Der Hirsch des „Jägermeisters‟ findet sich in verschiedenen Bars auf Taiwan und wird dort ansprechend präsentiert. Hier wirbt eine schlankere Variante des Hirschen als weißer Sechsender für ein Geschäft in Yuchi am Sonne-Mond-See. Nach der Legende soll eine weißer Hirsch die Jäger der Ureinwohner zu dem schönen See geführt haben, an desen Ufer der Stamm sich dann niederließ.

Wildbeobachtung vor der deutschen Haustür: Weder als Rückzüchtung noch gehörnt präsentiert sich Nachbars Rehpinscher. Aufmerksam wartet er, wer von seinen vierbeinigen Freunden als nächstes über den Weg kommt. Ihm zu folgen, um den Wohnsitz zu wechseln, lohnt nicht wirklich.

Donnerstag, 30. April 2015

Sakura in Bonn

Und vergängliche Schönheit am Sonne-Mond-See

Es gibt Orte in Europa, die bei vielen Asiaten hoch attraktiv und bekannt sind, aber von der durchschnittlichen westlichen Bevölkerung selber kaum wahrgenommen werden. So erging es mir, als ich auf Betreiben meiner Frau vor etlichen Jahren den Löwen von Luzern in der Schweiz besuchte. Busse voll mit Japanern, Koreanern, Chinesen, Taiwanern und und und steuern täglich dieses Ziel zum Besichtigen und Fotografieren an.

Das gilt auch für die Heerstraße in Bonn. Während der Kirschblüte in diesen Jahr hat die beste Ehefrau von allen im Strom der Besucher eine der vermeintlich schönsten Straßen der Welt bewundert. In der Tat ist das Frühjahr mit explodierenden Blüten, sich entfaltenden Blättern und frischem Grün sowie hervorschießenden Pflanzen die beeindruckendste Jahreszeit in unseren Breiten. Die kurze Zeit mit überbordenden Farben und Düften macht uns klar, wie vergänglich das Leben und wie schnell Lebenszyklen sind.

Einen Lebenszyklus scheint es auch beim Toilettenhaus im Toskana-Landhausstil am Sonnen-Mond-See zu geben, wie mir beim kürzlichen Vergleich von Fotografien aus verschiedenen Jahren auffiel. 2003 waren das Gebäude und seine Umgebung fast perfekt, um eine mediterrane Illusion aufzubauen. Aber was ist aus dem vermutlich schönsten Klohäuschen Taiwans geworden, was ich im Blog mehrmals anpries?

Schon etwas verblasst ist die Schönheit im Jahr 2007. Der markante Stein mit den chinesischen Zeichen „Sonne Mond See‟ wurde übrigens später zum Streitpunkt chinesischer Touristen, die nach der Öffnung Taiwans für den Reiseverkehr die Insel überfluteten. Tausende von ihnen und nur ein Stein als Fotorequisite und als beschriebener Beleg, für den Reiseort an dem sich der Fotografierte befindet, ging nicht auf. So hat die Verwaltung heute an vielen Orten rund um den See solche Steine aufgestellt, um den Urlaubern einen möglichst konfliktfreien Aufenthalt zu ermöglichen. An besonders stark frequentierten Orten erleichtern zudem Leitbänder die Orientierung zum Anstellen zur Fotoaufnahme.

Im Januar 2015: Zum Fotografieren für ein hübsches Urlaubsbilder ist das eigentlich nicht mehr geeignet. Was kann jetzt noch an Niedergang kommen? Läuft das Café gut, wird der Besitzer irgendwann entscheiden, das Gerümpel zur Seite zu schieben, sein gesamtes Ensemble von Bänken, Tischen, Stühlen, Sonnenschirmen und Anbauten an das WC-Häuschen einschließlich des Gebäudes selber niederzureißen und durch ein massives Gebäude zu ersetzen. Läuft das Geschäft schlecht, passiert das gleiche, aber es wird danach ein protziges Hotel mit Geschäften und Restaurants im Erdgeschoss errichtet. Obwohl es so aussieht, als wäre alles zugestellt: Der Weg ist geebnet, diesen ehemals freien und öffentlichen Raum, erhaben über dem Sonnen-Mond-See, der kapitalistischen Profitgier weiter preiszugeben. Schade, dass dies ohne Not, wie auch ohne Sinn für die Schönheit des Ortes und seiner Umgebung geschieht.

Wie die Frühjahrsblüten so kann auch die Schönheit von Plätzen vergehen. Anders als die herrlichen Farben und Düfte, die jedes Jahr wieder kommen, ist aber für den kleinen Park über dem See zu befürchten, dass der degenerative Bauprozess eben nicht in einen Zyklus mündet, sondern unumkehrbar tief nach unten geht.

Sonntag, 26. April 2015

Kano in Düsseldorf

Begegnung mit Taiwans Filmkunst

Wei Te-Sheng, der Regisseur der Filme „Cape No. 7‟ und „Seediq Bale‟ sowie Produzent und einer der Drehbuchverfasser des Baseball-Epos Kano, besuchte Düsseldorf heute anläßlich der Aufführung des letzgenannten Werks und präsentierte sich der Öffentlichkeit.

Internationales Flair und reichlich Betrieb in Düsseldorfs beliebter Babbelteestube „BoboQ‟. Sherman Laobon hatte gut zu tun, wofür auch das schöne Aprilwetter der letzten Wochen sorgte. Er verkaufte die Kinokarten für „Kano‟, daher ist Filmposter im Hintergrund zu sehen.

Glück gehabt, denn die beste Ehefrau von allen konnte im „BoboQ‟ noch zwei Tickets für die Aufführung von „Kano‟ erwerben.

Der UFA-Palast in Düsseldorf wartet auf fast 300 am taiwanischen Film interessierte Menschen. Als die Vorsitzende des Taiwanvereins die Stimmer erhob und auf Mandarin begrüßte, fragte mich mein Sitznachbar, der nette Herr mit Gesichtstätowierung, der seinen Hut mit Totenkopfsticker so auf die Balustrade gelegt hatte, dass für mich fast das untere Viertel der Leinwand verdeckt war: „Äwenndjerr in deutsch?‟. „Wie bitte? Nein, Kano in Japanisch, Taiwanisch, Hakka und Ureinwohnersprachen mit englischen Untertiteln.‟ „Kino 7?‟ „Nein hier ist Kino 6. Die 7 ist nebenan.‟ Er sprang auf, nahm Hut und Mantel und verschwand rennend. Statt des Totenkopfmanns erschien Sekunden später als Sitznachbar ein befreundeter Musiker taiwanischer Herkunft. Wieder Glück gehabt!

Freie Sicht auf den Meister. Wei Te-Sheng wünscht dem Publikum angenehme Unterhaltung mit dem von ihm produzierten Film.


Zum Film selber hat bereits Klaus Bardenhagen geschrieben, wobei er in seinen Ausführungen die Rolle des japanischen Ingenieurs Yoichi Hatta herausstellt. Interessant finde ich seinen Vergleich der taiwanischen Baseball-Geschichte mit dem „Wunder von Bern‟. Sicherlich muss der Erfolg des Teams von der Insel Taiwan, aus der südlichen Provinzstadt Kagi, heute Chiayi, damals für die Menschen eine ähnliche Wirkung gehabt haben.

Taiwan ist vernarrt in Baseball und das wohl nicht erst mit dem Auftreten der US-Amerikaner in der Region nach dem Ende des zweiten Weltkriegs. Die Leidenschaft geht bis in die japanische Kolonialzeit zurück.

Meine Frau empfand die Geschichte als sehr japanisch, der Durchhaltewille, der Zusammenhalt und die Moral, die zum Tragen kommt. Mit europäischen Augen fällt es etwas schwerer die Multiethnik zu verstehen, die der Film als eine Botschaft haben soll. „Das sind doch alles Asiaten‟, denkt Luo You. Japaner, Han-Chinesen, Hakka und Ureinwohner sind mit platten westlichen Blick kaum zu unterscheiden. „Anders rum genauso‟, erwidert die beste Ehefrau zu Luo You. „Manche deiner Verwandten könnten mit ihren schwarzen Haaren, braunen Augen und dunkleren Haut auch als Türken durchgehen.‟ Überhaupt war es schwierig, meiner Frau in den ersten Jahren den (visuellen) Unterschied zwischen Altdeutschen und Zugewanderten zu verdeutlichen.

Mit der Geschichte des Baseball-Teams von „Kano‟ (als Abkürzung von „Kagi Agriculture‟) wird aus meiner Sicht wieder versucht, das Besondere und Eigenständige der taiwanischen Gesellschaft herauszuarbeiten. Baseball, die japanische Kolonialgeschichte und die, wenn auch erzwungene, Teilhabe der Bevölkerung auf Seiten Japans im zweiten Weltkrieg, eine Vielfalt von Sprachen, dem das Mandarin nicht fehlte, um sich zu verständigen, sind Eigenschaften, die Taiwan von China absetzen. Genauso werden Fakten gezeigt, womit sich Taiwans Bevölkerung von Japan distanziert, wie der Volksglaube, das soziale Zusammenleben und die subtropische Agrargesellschaft mit ihren besonderen Nöten, Wünschen und Ergebnissen. Insofern wird von den Filmemachern ein neuer protaiwanischer Kultur-Baustein gesetzt.

Aber es ist auch ein bischen „Hollywood‟, wenn die Guten gegen die Bösen kämpfen. Diskriminierung aufgrund der unterschiedlichen Herkunft unterliegt am Ende. Rohe Gewalt beugt sich dem edlen Kampf auf dem Baseball-Feld. Teamgeist schlägt den Eigensinn. Das mögen wir. Und so vergehen relativ kurzweilig über drei Filmstunden.

Danach gab es noch Gelegenheit zum Gespräch mit dem Meisterregisseur, Signieren von Autogrammkarten, mitgebrachten DVDs oder für gemeinsame Fotos.

Diese Gelegenheit zum Fotografieren und Signieren haben wir gerne genutzt. Nach Steven Spielberg (als Statist bei den Dreharbeiten zu „The Last Crusade‟ in Spanien), Christoph Schlingensief (Volksbühne Berlin) und Berengar Pfahl ist Wei Te-Sheng nunmehr der vierte und gewiss der unauffälligste Filmregisseur, dem ich in meinem Leben Gesicht-zu-Gesicht gegenüber gestanden habe. Jedenfalls tragen jetzt unsere DVD-Schachteln seine Signatur.