Montag, 11. August 2014

Der große Nachtmarkt

Cranger Kirmes 2014

Ein echter Wanne-Eickeler ist jedes Jahr auf der Cranger Kirmes zu finden. Zwar gehören wir Wanne-Eickeler zu einer aussterbenden Gattung, denn nach der Eingemeindung werden nur noch Pass-Herner in den Grenzen der am 31.12.1974 untergegangenen Stadt geboren. Dennoch ist das Bewusstsein als Wanne-Eickeler etwas Besonderes zu sein immer noch wach.

Trotz der anfänglichen Abneigung des früheren Politiklehrers und heutigen Oberbürgermeisters hat es sich durchgesetzt: WAN für Wanne-Eickel als Autokennzeichen ist zurück und erfreut sich neuer Beliebheit.

Also gehörte es auch zum Pflichtprogramm für die Nichten den drittgrößten „Nachtmarkt“ Deutschlands zu besuchen. Größere Volksfeste sind nur das Oktoberfest in München und die Canstatter Wasen in Stuttgart. Für das Wort „Kirmes“ haben wir übrigens noch keine passende Übersetzung gefunden, was Wörterbücher und LEO anbieten, trifft die Sache nie so richtig.

Funkelnde Lichter, tolle Fahrgeschäfte, eine Vielzahl an Verkaufsständen, die klrmesübliche Geräuschkulisse, halten beim etwa vierstündigen Rundgang das Interesse und die Neugier wach.

Hinzu kommen unterschiedlichste Menschentypen, die gesehen werden wollen oder gerne an der riesigen Zusammenkunft teilhaben. Entsteht für die Besucher aus Asien schon mal der Eindruck, dass Deutschland ein dünn besiedeltes Land ist, so kann dieses Vorurteil auf dem Jahrmarkt korrigiert werden. Bei der Menge an Menschen, visuellen und akustischen Reizen fühlen sich augenscheinlich die Taiwaner so wohl wie beim Samstagsbesuch von IKEA zur Hauptgeschäftszeit.

Sogar die rasanten Fahrgeschäfte wurden von einer Nichte angenommen, um auf der gigantischen Achterbahn „Alpina“ ihre Magenfestigkeit zu testen.

Die Frage, ob in Taiwan dazu genauso Gelegenheit bestehen würde, konnte ich nicht abschließend klären. Jedenfalls ist mein Vertrauen in den TÜV und die Bauaufsicht angesichts der seltenen Unfälle, die meistens durch Unachtsamkeit oder Mißachtung der Gefahr geschehen, groß genug, um keine Einwände zu haben, sich auch wieder einmal in eine deutsche Achterbahn hereinzusetzen, wenn nicht der Bluthochdruck wäre. In Taiwan wäre ich angesichts der Risikoerwartung deutlich zurückhaltender. Recht schnell, eigentlich nach Sekunden, war der Spass durch die Kurven der Bahn zu schießen für die Nichte auch schon vorbei.

Hinter den beeindruckenden und blendenden Kulissen, kommt im Innersten der Taiwaner dann doch etwas Enttäuschung auf. Zwar gibt es reichlich Verkaufsstände, aber was bieten die Buden an? Bier, Brezeln, Bratwurst, Cola und Co., Currywurst mit Pommes, Champignons, Schweinesteaks, Backfisch schränken die kulinarischen Genüsse im Vergleich zu Taiwans Nachtmärkten, die sogar Touristen aus der Volksrepublik China anlocken, merklich ein.

Weder Entenzungen noch Hühnerhintern lassen sich auf der deutschen Kirmes finden. Das „High Light“ ist dann der geflämmte Lachs aus Skandinavien, der im Brötchen oder Plastikschälchen angeboten wird.

Den traditionellen Abschluss bildet das Kirmeseis, die vermutlich schlechteste Eiscreme, die Deutschland angesichts einer Vielzahl italienischer Eiscafés und deren Eiskunst zu bieten hat, obwohl festzustellen ist, dass sich die Qualität von Kirmeseis seit meiner Kindheit gesteigert hat. War es früher reines Softeis, das nach der Aushändigung über alle Finger der Hand zerlief, so gibt es heute eine Grundlage aus verschiedenen wählbaren Sorten von Milchspeiseeis, wie etwa Vanille, Ananas oder Schokolade. Dieser Kern erhöht die Stabilität der kühlen Füllung im Hörnchen. Außerdem ist ein Überzug aus flüssiger Schokolade im Preis, für den der es mag, inbegriffen. Der legt sich ausgehärtet als Kruste um das Eis und sorgt nicht nur so für einen Knuspergenuß sondern auch für mehr Halt bei der immer noch schnell schmelzenden äußeren, soften Eismasse.

Nutella-Crepes als Alternative zum Kirmeseis. Quer durch die Generation der Nichten und Neffen scheint der Wandel in der chinesisch-taiwanischen Kultur von der Negation der Schokolade zum Schokofan zu verlaufen. Extrem: Eine der Nichten belegte ihr Frühstücksbrötchen mit Nutella und darauf Schwarzwälder Schinken. Populär sind Sandwiches in Taiwan mit geschichteten Belägen. Wer also Taiwaner zu Besuch hat sollte ihnen zum Frühstück kombinierbare Brotbeläge anbieten, wie Thunfischpaste, Eieromelett, Eisbergsalat, Tomaten, Salatgurkenscheiben mit Pfeffer, Gouda und Schinken. Kochschinken wurde nicht nachgefragt. Butter und Margarine sind als „Fettkleber‟ zwischen Brot und Belag belanglos. Mayonaise ist beliebter. Quark und Frischkäse sind relativ unbekannt.

Im Gegensatz zu Kindertagen scheint nicht nur Luo You als Konsument auf der Kirmes vernünftiger geworden zu sein. Offenbar haben sich auch die deutsche Hygienetechnik und vorbeugende Maßnahmen so weit entwickelt, dass Vorfälle, von denen etwa durch Fu Ludigel aus Taiwan berichtet wird, nahezu unbekannt sind, es sei denn man treibt es selber durch die Einnahme heiß-kalter Mischungen auf die Spitze.

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