Dienstag, 5. August 2014

Risiko

Ist Taiwan gefährlich?

Diese Frage stellt sich verstärkt nach den Gasexplosionen in Kaohsiung (高雄) am 31. Juli 2014, wozu Aris Teon weiterführende Links in seinem Blog zusammengestellt hat. Das Unglück fand in einem relativ innenstadtnahen, dicht bebauten Stadtgebiet mit gemischter Nutzung statt. Verwandte, Freunde von mir und ich nahmen Anteil an dem Schicksal der vielen Menschen, die ums Leben gekommen sind, und deren Familien.

Natürlich gibt es überall auf diesem Planeten ein allgemeines Lebensrisiko, verletzt zu werden oder uns Leben zu kommen. Aber im Vergleich zu Deutschland dürfte das Risiko in Taiwan, Opfer eines Verkehrs- und Industrieunfall zu werden, ein Vielfaches höher liegen. Das hängt mit verschiedenen Faktoren zusammen.

Zunächst einmal ist die Insel Taiwan von den naturräumlichen Bedingungen mit saisonalen Taifunen, subtropischen Stürmen, Regenfällen und Erdrutschen ganz anders aufgestellt als Mitteleuropa. Eine geologisch instabile Situation an zwei tektonischen Platten kann zu unvorhersehbaren Erdbeben mit erheblichen Auswirkungen führen.

Kaohsiungs Süden – Wohnen zwischen vernetzten Industriebetrieben und Umschlaganlagen für alle möglichen Güter am Hafen. Ungeahnte Risiken stecken im dicht bebauten Stadtgebiet.

Dann gibt es auch sozio-ökonomische Differenzen. Das rasche Wirtschaftswachstum der vergangenen Jahrzehnte, die wesentlich höhere Nutzungsdichten und eine stärkere Toleranz bei Umwelt-und Sicherheitsfragen zu Gunsten einer raschen ökonomischen Entwicklung haben ihren Preis, der zum Teil erst später bezahlt werden muss. Ob angesichts der zur Verfügung stehenden großen Ressource an Menschen das einzelne Leben von geringerer Bedeutung im chinesischen Kulturkreis ist, damit geringere Sicherstandards gefordert und größere Toleranzen zugelassen werden, wäre zu diskutieren.

Erfährt der Leser von der geringen Höhe der Entschädigung für die Angehörigen der Todesopfer anlässlich des Flugabsturzes auf den Penghu-Inseln am 23. Juli 2014, sieht er sich in dieser Vermutung bestätigt.

Kritische Wetterlagen können Flüge zu risikoreichen Abenteuern machen – Dornier 228 in Lan Yu, der Orchideeninsel, kurz vor dem Rückflug nach Taidong im Dezember 2006. Diese Strecke war sicherlich aufgrund des starken Windes das gefährlichste Flugerlebnis meines Lebens.

Immerhin ist festzustellen ist, dass mit jedem Unglück das Bewusstsein und der öffentliche Druck wachsen, Verbesserungen für die Sicherheit des Einzelnen zu erreichen. Dabei ist davon auszugehen, dass sich die Standards weltweit stärker annähern werden.

Alte Pipelines werden erfasst, stärker kontrolliert und in Notfallplänen aufgenommen. Bei Fluggesellschaften entsteht mehr Bewusstsein für die Gefahren aus Krisengebieten. Ich habe mich schon immer unwohl gefühlt über Afghanistan zu fliegen. Schlechtwettersituationen sollten kritischer bewertet werden. Hier ist bei mir als Passagier mehr Bewusstsein entstanden, besser einen Tag später bei ruhiger Wetterlage zum Flughafen zurückzukehren als am Flugsteig wartend den erstmöglichen Flieger im Sturm zu nehmen.

Spiel mit dem Atommüll – Versuch einer Senkung des öffentlichen Risikobewusstseins im Atomkraftwerk von Hengchun (恆春), Ausstellungssaal.

Aber auch in Deutschland ist nicht alles im Reinen. Die Konflikte zwischen Wirtschaftsinteressen und der Besorgnis einer potenziell betroffenen Öffentlichkeit, sei es bei Pipeline-Verlegungen oder gegen eine weitere nukleare Nutzung und deren Entsorgung, bestehen auch hier.

Störfallbetriebe, wo giftige und gesundheitsschädliche Substanzen oder Strahlungen austreten können, nahe an Wohngebieten und öffentlichen Nutzungen, gibt es auch im entindustriealisierten Deutschland noch in großer Zahl. Es wird solche Situation voraussichtlich noch über eine sehr lange Zeit geben. Selbst mit allen erdenklichen Maßnahmen, so sagen es Experten aus den zuständigen Behörden, wird es nie gelingen, das Risiko eines Unfalls völlig auszuschließen. Da sollten sich auch die Deutschen nichts vormachen.

Was läuft eigentlich durch die Produktenpipelines aus den 1970er Jahren hinter meinem Elternhaus im Ruhrgebiet?

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