Der Begründer einer großen Familie hat uns verlassen. Hätte dies jemand vor einem Jahr prophezeit, niemand von uns hätte ihm Glauben geschenkt. Der Mensch, der von uns gegangen ist, lebte äußerst gesund, war stets fit und richtig durchtrainiert. Einem Uhrwerk gleich folgte er seinem täglichen Rhythmus. Seit den jungen Jahren erfüllte er seine Verpflichtung und den Auftrag, den er nach seiner festen Auffassung erhalten hatte.
Niemals zuvor habe ich einen Menschen kennengelernt, der sein Konzept und seinen Lebensentwurf so konsequent und klar bis zum Ende seines irdischen Daseins umsetzte. Er gönnte sich nichts und doch, wenn er die Wahl hätte, würde er genauso wieder entscheiden. Geprägt war er durch die Strenge der japanischen Kolonialherrschaft. Er hatte die Chance bekommen und mit fast übermenschlichen Fleiß und Engagement genutzt. Mit dem, was ihm die Republik China durch ihre Experten und Reformen - vor allem die Landreform und die Agrarförderung in den Nachkriegsjahren - bot, erreichte er wirtschaftlich das Beste für seine Familie und Nachkommen. Urlaub und Ruhestand, Genuß und Freizeit waren unbekannte Begriffe für ihn.
Wie um einen Pol, manchmal unnahbar, aber unverzichtbar und stets Respekt gebietend, drehte sich alles um ihn als Familienoberhaupt. Ich vermisse ihn sehr, der mir die beste Ehefrau gegeben hat, so viel Toleranz zeigte und mir den Einblick in eine großartige fremde Kultur eröffnete. Traditionell nach dem konfuzianischen Muster, in seinem, ihm wirklich gehörigen und zugeordneten, Umfeld zu leben und doch weltoffen zu sein, war kein Widerspruch.
So innerlich gefestigt, hätte sein Lebenskonzept noch viele, viele Jahre auch in einem demokratisierten und auf Konsum ausgerichteten modernen Taiwan bestehen können. Jedoch hat ihm eine plötzliche und tückische Krankheit innerhalb weniger Monate die Kraft genommen und aus dieser Welt entschlafen lassen.
Wieviele Menschen hat der verwitterten Giebel in dem taiwanischen Dorf schon in ihrem Leben begleitet? Auch wenn der Körper vergänglich ist, der Geist und die Erinnerung bleiben unter uns.
Viel früher als geplant, kam ich zurück nach Taiwan, um ihm zu danken, ihn auf seinen letzten Wegen zu begleiten und Abschied zu nehmen.
Du wirst einen Kulturschock erleben. Aber es ist gut, dass du da bist, sagt mir meine Frau bei der Ankunft.
aufrichtiges Beileid!
AntwortenLöschenMein herzliches Beileid.
AntwortenLöschen"Urlaub und Ruhestand, Genuß und Freizeit waren unbekannte Begriffe für ihn."
Das erinnert mich an meine Frau. Hart an sich selbst sind sie sehr oft, die Taiwaner.
Nebensache:
Entschuldige, dass ich Dich (auch) nicht von meiner URL-Änderung informiert habe. Alles Folge meiner Online-Aufräumerei aus gegebenem Anlass. Der neue Link bei Dir hat ein r zu wenig, also http://osttellerrand.blogspot.de/ ist es jetzt.
Irgendwie hakelig die Einstellung bei der Blogliste.
AntwortenLöschenDanke für die Anteilnahme!
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