Sonntag, 30. November 2014

Taiwans Perspektive

Oder alles schon mal da gewesen?

Wie es schon erwartet wurde, ist Taiwan mit den gestrigen Regionalwahlen deutlich grüner geworden. Vor allem hat die demokratische Fortschrittspartei DPP viele wichtige Bürgermeisterämter von der chinesischen Nationalpartei KMT übernommen. Verbunden ist das Ergebnis mit der Politik des Präsidenten der Republik China auf Taiwan, quasi mehr als eine Denkzettelwahl. Der derzeitige Amtsinhaber Mǎ Yīng Jiǔ oder Ma Ying-Jeou(馬英九) teilt das Schicksal mit seinem Vorgänger Chén Shuǐ Biǎn (陳水扁) vom hochgelobten Politiker und Hoffnungsträger nach zwei Wahlperioden bei den meisten Wählern auf tiefste Ablehnung zu treffen.

Ob die jetzige Wende zu mehr DPP wirklich zu Verbesserungen für die Bevölkerung Taiwans führt, ist zu bezweifeln. „Überall glotzen die feisten Gesichter der selbstverliebten und sich selbt dienenden Politikerkaste von den Wänden, die nicht mal die elementarsten Funktionen von Politikern erfüllen: Zum Beispiel wenigstens die Schulwege sichern ... oder für ungiftiges Essen ... zu sorgen‟, schreibt Fu Ludigel in seinem Blog.

Jetzt dürfen an vielen Stellen andere Politiker und Parteifreunde – oder sogar Familienmitglieder - an die Tröge, um sich am öffentlichen Eigentum, das die Allgemeinheit erarbeitet, zu bedienen oder sich vorteilhafte Gesetze und Möglichkeiten zu verschaffen. Sichere Schulwege und gesunde Nahrungsmittel geraten da leicht aus dem politischen Fokus, wenn nicht gerade medienwirksam berührende Einzelschicksale auftauchen, wie ein überfahrenes oder vergiftetes Kind. Wer kann schon eine Krebserkrankungen mit einem Ananaskuchen in Verbindung bringen?

Das bei Sozialdumping und Preisdruck auf den umkämpften lokalen (bei Garküchen und Restaurants zum Beispiel) und globalen Märkten (etwa der Elektronikindustie und ihren Standortverlagerungen zwischen China und Taiwan) irgend wann auch die Qualität und Sicherheit der Nahrungsmittel gefährdet ist, war in diesem Wirtschaftssystem mit seiner Grundeinstellung, der Gier zur persönlichen Reichtumsmehrung, unausbleiblich.

Die soziale Verantwortung auch für die Mitmenschen (nicht nur innerhalb der Familie) und die Nachhaltigkeit im Umgang mit den natürlichen Lebensgrundlagen (nicht nur für die eigene Generation und Lebenszeit), weil nicht jeder eine Fluchttür hat, sind da nicht so ausgeprägt.

Lösungsansatz Importlebensmittel zur gesunden Ernährung und Reduzierung des Krebsrisikos – Bereits Vorjahr brachte Luo You deutsche Spekulatius nach Taiwan. Hergestellt, garantiert ohne taiwanische Milch, sind sie von der Traditionskonditorei Messner in Wanne-Eickel. Die grüne chinesische Dattel (Ziziphus jujuba) stammt aus der Obstplantage des zweiten Schwippschwagers. Da weiß man, womit gespritzt wurde.

Scheinbar sind Strategien des politischen Überlebens oder Erfolgs auch nicht so viel anders als in Deutschland. Es ist hier bei Kommunalwahlen schon üblich, dass SPD-Bürgermeisterkandidaten ihre politische Herkunft ganz klein schreiben oder schnell zu Unabhängigen werden. FDP-Mitglieder verfallen bei einer Bürgermeistermeisterkandidatur einschließlich ihrer gesamten Anhängerschaft und der Lokalmedien in eine tiefe Amnesie über ihre parteiliche Zugehörigkeit. Genauso ist es auch bei Spitzenkandidaten in Taiwan gewesen. Den Wählern wird erleichtert, ihrer Person zuzustimmen. Das damit verbundene Programm, über das die Wähler nicht mehr nachdenken müssen, steht im Hintergrund.

Ob mit den jetzigen Wechseln in Taiwan und der Perspektive für die Präsidentschaftswahl 2016 den Zielen der Menschen nach sicheren Erwerbsmöglichkeiten ohne ausbeuterischen Arbeitsbedingungen, einer gesunden Umwelt und Versorgung nachgekommen wird, mag bezweifelt werden. Zu sehr ist das Schicksal Taiwans mit Entscheidungen in den USA und der Volksrepublik Chinas im pazifischen Raum verbunden. Die taiwanische Wirtschaft ist schon so stark mit der auf dem Festland verwoben, dass die DPP im Sinne einer größeren Unabhängigkeit Taiwans zwar Prozesse der Annäherung und wirtschaftlichen Einnahme durch China verlangsamen, aber nicht aufhalten kann. Dort werden die Bedingungen bestimmt. Will die KMT weiter über 2016 hinaus regieren, muss sie den Taiwaner die laufenden Entwicklungen schonend nahe bringen und mehr Rücksicht auf diese nehmen. Dafür ist nur noch wenig Zeit.

Mit der DPP in den Stau - Am 9. Januar 2008 blockierte der Wahlkampf-Truck von Chén Shuǐ Biǎn (陳水扁) Luó Yōu (羅優) den Weg. Während ich letztendlich weiter gekommen bin, endete der Mann hoch auf dem grünen Wagen im Gefängnis.