Mittwoch, 30. April 2014

1st of May - Hongkong Street Pee Day

Nicht ohne meinen Hund

Eine Besonderheit der hiesigen Kultur sollte es nach meiner Frau sein (und dem konnte ich in früheren Jahren zustimmen), dass es Menschen in Deutschland sehr mögen, Mitmenschen bei ihrem Fehlverhalten herauszustellen. Mittlerweile hat sich diese verbreitete Verhaltensweise nach meiner Einschätzung verändert. Wen stört es noch, wenn das Gegenüber bei Rot über die Straße geht, während man selber langer bei leerer Straße auf das Grünlicht wartet? Ich kümmere mich nur noch um meinen Kram und folge dem eigenen Gewissen. Andere darauf hinzuweisen, dass in Zügen das Rauchen nicht verboten ist, ist gar keine gute Idee, wenn man das eigene Leben und die Gesundheit nicht in Gefahr bringen will. Jemanden im morgendlichen Berufsverkehr am Bahnsteig auf den „Rauchfreien Bahnhof“ hinzuweisen, wo das Rauchen tatsächlich gar nicht frei ist, bedarf schon eines großen Einfühlungsvermögen, geschickter Rhetorik und dem Beherrschen einer wirksamen Deeskalationsstrategie. Nur so kann man erfolgreich zu sein und den Mief aus der Nase bekommen.

Da ist Asien mittlerweile deutlich besser beim „Point Out“ drauf. Durch die Nachrichten und Videoportale geht die Geschichte, einer Familie in Hongkong, die ihr Kleinkind in der Not auf die Straße hat pinkeln lassen. Diesen unanständigen Akt haben Nebenstehende zum Anlass genommen, ihre Kameras drauf zu halten und deutlich zu machen, dass sie ein solches Verhalten nicht akzeptieren. Und schon war das Theater da.



In den Kommentaren gehen, dies zum Anlass nehmend, nun Hongkonger gegen Chinesen an. Wobei die Hongkonger natürlich auch Chinesen sind, partiell sogar echte Festlandschinesen, wenn man von den Bewohnern der Inseln und Inselchen vor der Küste mal absieht. Zudem sind alle, also Leute in Hongkong und die anderen, in der Region Kantonesen.

Das lassen sich Chinesen, die sich nicht als Hongkonger fühlen, nicht gefallen und rufen zum Pinkeltag am 1. Mai in Hongkong auf, der in China Feiertag ist und deshalb geradezu zum Reisen und Besuch von Hongkong einlädt.

Aus eigener Erfahrung ist von Luo You zur ergänzen, dass die Grenzkontrollen zwischen der Sonderverwaltungszone Hongkong und Shenzhen deutlich laxer sind als zwischen dem Gebiet von Shenzhen zum Rest von der VR China. Ebenso verhält es sich mit dem gefühlten Wohlstandsgefälle zwischen den drei Gebieten in dieser Region. Da sind Hongkong und Shenzhen etwa auf dem gleichen Niveau. Also es gibt in dem Sinne durchaus Hongkonger außerhalb von Hongkong, während wohl auch Hongkonger Straßen benässende Chinesen sein könnten.

Auch in Deutschland gab es in früheren Jahren die Diskussion, ob es wirklich so schlimm ist, seinem Kind in einer Notsituation nicht zuzugestehen, in die Gosse zu pissen. Viele Hundebesitzer haben überhaupt keine Skrupel ihren besten Freund überall kacken zu lassen. Warum sollten Tiere mehr Rechte als Menschen haben? Warum darf das Tier für sein Wohlbefinden sorgen, während den kleinen unausgereiften Mitbürgern aufgenötigt wird, die Blase und Öffnungen zusammenzupressen?

Herr und Hund – Auch Taiwaner sind Chinesen, ethnisch gesehen und auch nur teilweise. Zumindest hat er die Hundekacke danach etwas beiseite geschoben. Und das auf dem Schmalspurgleisen einer der letzten in Betrieb befindlichen Zuckerrohrbahnen! Der Eisenbahnfan war schockiert.

Lass mich kacken, blöder Turi! Hier fotografiert mal umgekehrt der Zugereiste den Ansässigen und zeigt es im Internet.

Bei soviel Freiheit für Hunde im asiatischen Raum und Rücksichtslosigkeit gegenüber Kindern, die bei dem Fall in Hongkong für ihr Leben schreiend traumatisiert sein dürften, verwundert es nicht, das gleich auf Kinder verzichtet wird. Dann kommt besser der Hund in den Kinderwagen, wie hier in der Dream-Mall von Kaohsiung gesehen.

Dienstag, 29. April 2014

Im Zentrum der Macht

Aufgeräumte Baustelle mit Käsekuchen

Sogar chinesischsprachige Medien berichteten darüber, dass Berlin etwa 2 Millionen Besucher an den Ostertagen erwartete. Dementsprechend voll war es zwischen Kurfürstendamm und Alexanderplatz. Ein scheinbar endloser Strom von Asiaten, Süd- und Nordamerikanern, Holländern, Italienern, Osteuropäern, Inländern aller Dialekte und sonstiger „Turistas“ in Doppeldeckerbussen, per Pedes, in U- und S-Bahnen bewegte sich über die ausgetretenen Pfade der Neugierigen in Berlin. Auch Luo You tauchte an diesen Tagen in die deutsche Metropole ein.

Ruhig und aufgeräumt wirkt zwischen modernen Monumentalbauten, Beton und Schotterwegen das Bundeskanzleramt, in dem die für einige Menschen als mächtigste Frau der Welt geltende Regierungschefin ihren Sitz hat. Es sind Osterferien. Nur die Schweizer Botschaft zeigt mit großer Flagge Präsenz im Spreebogen.

Eine Kultur der Vielfalt – Italienisches Speiseeis mit Parkschein belegt vor dem würdevoll-historischen Ort wie offen und locker Deutschland geworden ist. Optimal am Trampelpfad zwischen dem neuen Hauptbahnhof und dem Brandenburger Tor gelegen sind bei heißem Wetter beste Umsätze garantiert. Im Hintergrund demonstrieren einige Staatenlose mit russischer Flagge gegen ihre Staatenlosigkeit und wie selig das politische Leben in Deutschland ist: keine Sonnenblumenbewegung, kein Maidan (Майдан Незалежності), kein Erdogan, keine bizarren Todesurteile gegen Moslembrüder trüben die heile Welt.

Eine Ex-Ministerin und Bundestagsabgeordnete plaudert vor leuchtenden Teletubby-Tulpen am Pariser Platz. Kann der politische Frühling schöner sein?

Sogar die Brüder und Schwestern aus der Volksrepublik finden ihre politische Heimat in Berlin. Der Kommunismus lebt! Obwohl das Marx-Engels-Forum 2010 aus seiner zentralen Position in die Ecke geschoben wurde und heute nach Westen statt nach Osten blickt, wird es dennoch gut in der Mitte Berlins gefunden. Es bleibt abzuwarten, in welcher Weise der Westen genüsslich-zerstörisch, den Sieg langsam und voll auskostend - wie bei der Demontage des Palastes der Republik - mit den Skulpturengruppe als Relikt der verhassten DDR umgehen wird.

Wenn etwa 2018 das neue Berliner Stadtschloss voll errichtet ist, sollte es an die Gestaltung des Umfeldes gehen. Zur Zeit wächst noch der Rohbau, damit die potenten monarchistischen Ziele in dieser Gesellschaft angemessen stark materialisiert werden können. Adel gibt es noch genug in Deutschland, der über Grundeigentum und Beziehungen von Generationen aus ruhmvoller Vergangenheit, etwas versteckt an vielen Orten politisch maßgeblich die Fäden ziehen kann. Die temporäre Humboldt-Box mit Ausstellungsräumen, Café und Restaurant im obersten Geschoss lässt vor der Baustelle die künftigen Proportionen des Baukörpers erahnen. Das Schloss wird etwas höher als die Box und den Stadtraum zwischen Berliner Dom, alten Museum und Zeughaus schließen. Das ethnologische Museum, was sich heute in Dahlem befindet soll unter anderem die Räumlichkeiten im neuen Schloss nutzen.

Luo Yous Meinung ist: Baukörper ja, Schloss nein. Zwar habe ich jetzt schon freiwillig durch das Eintrittsgeld und den Verzehr in der Humboldt-Box, aber dies geschah nur aus Neugierde und Wissendrang, aber in keiner Weise aus dem Willen heraus dieses rückwärts gewandte Gebilde finanziell fördern zu wollen.

Mit der Sprengung des Stadtschlosses ist seine Entwicklung abgeschlossen gewesen. Tote soll man nicht wieder zum Leben erwecken wollen. Heraus kommt nur ein Frankenstein. Jetzt fehlte nur noch Marx und Engels, so wie es diesem Herrn erging, einzuschmelzen und einen Kaiser Wilhelm daraus zu machen.

Wäre es dann nicht auch angemessen dem Adel die feste politische Rolle wiederzugeben, die er über Jahrtausende in Deutschland hatte? Ein politisches Staatsoberhaupt zu installieren, dass von Geburt an auf diese schwere Aufgabe professionell vorbereitet wird und den Job nicht bereits ruhestandsfähigen, berufsfremden Seiteneinsteigern zu überlassen?

Dienstag, 8. April 2014

Ein Herz für Taiwan

Schwarzer Strom Kuroshio (黒潮) oder KMT (Killing My Taiwan)?

Luo Yous schwarzes Hemd mit Herz – Bei genauerem Hinweisen wölbt in der Mitten von Taiwan sogar das Zentralgebirge auf.

Die schwarze Strom, der Kuroshio (黒潮), beginnt im Pazifik vor Taiwan, fließt nordostwärts an Japan vorbei und mündet dort in die Nordpazifische Strömung, die sich vor Kanada in Richtung Kalifornien und Alaska aufteilt. Ähnlich wie der Golfstrom im Atlantik bringt der schwarze Strom tropisch aufgewärmtes Wasser in Richtung der Polargebiets. Er führt unter anderem dazu, dass in Japan die nördlichsten Korallenriffe auf dem Planeten wachsen können.

Die schwarzen Hemden der Demonstanten bei der Sonnenblumenbewegung symbolisieren wohl weniger, so in der TAZ zu lesen, wie ernsthaft die Demokratie sich in der Krise befindet. Sie stehen vielmehr in Anlehnung an den schwarzen Kuroshio für die Vereinigung vor Taiwan und für eine beständige Strömung in Richtung der gefestigten Demokratien in Japan, Kanada und den USA.

Bleibt zu hoffen, dass auch nach der Räumung der Parlaments durch die Sonnenblumenbewegung die Begeisterung für die Fortentwicklung der taiwanischen Demokratie – so wie der Kuroshio – nicht abkühlt. Wenn der china-nahe Präsident Ma Ying-Jeou (馬英九 / Mǎ Yīngjiǔ) dadurch verliert und seine kritischen Gegenspieler, wie der Parlamentspräsident Wáng Jīnpíng (王金平), ihre Position im Ansehen der Bevölkerung verbessern, ist dies meiner Meinung nach schon ein Gewinn für ein weiterhin unabhängiges und freies Taiwan.

Der Sitz des Präsidenten der Republik China auf Taiwan - Auch außerhalb politisch unruhiger Zeiten lauern Regierungsagenten in Zivil den Fotografen vor dem Geheimpalast auf. Wer respektvoll Abstand hält, wie diese vorbildliche Reisegruppe vom kommunistisch regierten Festlands China im Januar 2010, bleibt unbehelligt. In der schwarzen Strömung der Demokratiebewegung untergehen sollte farblich zumindest die Flut „roter“ oder „gelber“ Touristen. Ob das auch mit den „goldenen“ Verlockungen einer politisch-wirtschaftlichen Annäherung passieren wird?