Mittwoch, 31. Oktober 2012

Chiang Kai-Sheks Paddel

Kürzlich kam mir wieder Chiang Kai-Sheks Paddel in den Sinn, als ich von aktuellen Proteste vor Rheinmetall in Düsseldorf gegen deutsche Waffenexporte hörte. Hartwig Hummel, Politikprofessor, vertrat dabei die Auffassung, dass Deutschland und Europa davon abgehen, Zivilmächte zu sein und zu Militärmächten werden, die militärische Außenpolitik betreiben.

Dabei gibt es schon seit sehr langer Zeit eine militärische Außenpolitik Deutschlands mit Waffenexporten und Vermittlung von Wissen zur Kriegsführung. Hiervon erhielt auch Chiang Kai Sheks Regime auf Taiwan etwas.

Wie es sich für einen ordentlichen Diktator gehört, hatte Chiang Kai-Shek, Paläste und Villen an den schönsten Orten in seinem Herrschaftsgebiet, um sich von den anstrengenden Strapazen des Regierens, dem Verfolgen der politischen Gegner und der Planung zur Rückeroberung des Festlandes zu erholen oder wichtige Gäste, mögliche Allierte für seine Pläne, zu beeindrucken.

Die Landschaft des Sonne-Mond-Sees, 日月潭, so wird geschrieben, erinnerte Chiang Kai-Shek sehr an seinen Geburtsort Xi1 Kou3, 溪口鎮, etwa 39 km westlich von Ningbo auf dem chinesischen Festland.

Der Sonne-Mond-See als taiwanische Fälschung des chinesischen Ting Xia Stausees in der Nähe des Geburtsortes von Chiang Kai-Shek?

Jedenfalls gefielen dem Herrscher über die Republik China offenbar die taiwanische Landschaft und auch Ruderausflüge auf dem See, wie sein am Ufer ausgestelltes Boot zeigen soll.

Bei Luo Yous ersten Besuch im Jahr 2003 gab es auch noch das dazugehörige Paddel mit der Geschichte in einem der großen Touristenrestaurants im Nachbarort Yuchi. Nach der Erzählung sollte ein Angehöriger aus der Familie der Restaurantbesitzer den Diktator regelmäßig über das Wasser gerudert haben.

Bei meinem letzten Besuch konnte ich das Paddel nicht mehr entdecken, vielleicht waren wir auch im falschen Restaurant. Jedenfalls war das Holz schon früher arg wurmstichig, so dass es mich nicht wundert, wenn Klima und Mikrofauna Taiwans das Relikt so weit aufgelöst haben, dass es nicht mehr zum Ausstellungsstück taugt.

Immer noch beindruckt das Lalu Hotel, früher Residenz Chiang Kai-Sheks, in bester Lage am See die Gäste.

Das daneben befindliche alte Hanbi Gebäude wurde unter Chiang Kai-Shek quasi inoffizielles Gästehaus der Regierung.

Unter den im Hanbi Gebäude ausgestellten Fotos findet sich auch ein Bild von Oskar Munzel, der respektvoll den großen Diktator begrüßt.

Wikipedia kennt Oskar Munzel, der auf dem Foto als deutscher Militärberater vorgestellt wird, nur in englischer und bulgarischer Sprache.

Dabei ist der 1899 in Grimmen geborene und 1992 in Bonn Bad Godesberg verstorbene Generalmajor der Wehrmacht und in der Bundeswehr durchaus eine Persönlichkeit, die einen deutschen Eintrag in Wikipedia verdient. 1945 geriet er nach dem letzten Einsatz für „Volk und Heimat“ mit Kriegsende in Gefangenschaft. 1947 wurde er freigelassen. Danach war er ab 1951 vier Jahre Militärberater in Ägypten. Von 1956 bis 1962 diente er der Bundeswehr während der raschen Aufbauphase. Bis 1983 war Oskar Munzel Sprecher der Traditionsgemeinschaft des Reiterregiments 4 bzw. Panzerregiments 6, dessen Kommandeur er zeitweise war. Sogar ein umfangreiches Buch hat er zur Geschichte des Panzerregiments 6 veröffentlicht.

Nach Chern Chen arbeitete schon Ende der 1950er Jahre der BND eng mit den Geheimdiensten in Taiwan zusammen. Weiter beteiligte sich Bonn durch den Verkauf von Rüstungsmaterial und Maschinen zur Munitionserzeugung an der Aufrüstung der Republik China. Das Auswärtige Amt hingegen lehnte eine Tätigkeit deutscher Berater vor Ort ab, um nicht zu sehr in den chinesischen Konflikt hineingezogen zu werden und um keine Option zu verlieren. 1961 plante Chiang Kai Sheks Sohn Wego, der vor dem zweiten Weltkrieg in der deutschen Wehrmacht gedient hatte, eine Beratergruppe zusammen mit dem BND aus pensionierten deutschen Offizieren zu bilden. Als Chefberater wurde Munzel ausgewählt, der 1963 zum ersten Mal nach Taiwan kam. Bis 1972 war er insgesamt achtmal in Taiwan, schien allerdings sehr unter dem subtropischen Klima zu leiden. 1972 folgte die Bundesregierung dem Kurs der amerikanischen neuen Chinapolitik. Nach dem Tod von Chiang Kai-shek 1975 endete vollends die Tätigkeit deutscher Militärberater in Taiwan.

2012 sollte die Kunst des Kämpfens den Deutschen vermittelt werden. Während Luo You - hier beim Panzerklettern auf Kinmen - den Kriegsdienst verweigerte, erteilte die Republik China seiner Frau in der Schulzeit einen fundierten Wehrkundeunterricht. Da muss sich der Ehemann in Konfliktsituationen auf gezielte Tritte und Nackenschläge à la Shaolin einstellen. Also besser immer „Ja“ sagen.

Auch ohne Militärberater, denen es scheinbar egal zu sein scheint, wem sie das Handwerk des effizienten Tötens und Zerstörens beibringen, und die am Ende dafür mit Hitlers Ritterkreuz, dem westdeutschen Bundesverdienstkreuz und einem Handschlag des Gimo belohnt werden, und auch ohne diplomatische Beziehungen zu Deutschland, daraus resultierend einem fehlenden Auslieferungsabkommen, blieb und bleibt Taiwan eine spannende Bühne deutscher militärischer Außenpolitik, wie das Beispiel vom zeitweiligen Taiwanflüchtling Ludwig Holger Pfahls zeigt. Der promovierte Rechtsgelehrte, frühere Richter und ehemals staatstragende politische Beamte nahm Schmiergeld über Schweizer Konten an, damit Panzergeschäfte mit Saudi-Arabien geschmeidig liefen. Womit sich der Kreis zu aktuellen Ereignissen und Erlebnissen schließt.

Montag, 29. Oktober 2012

Kein 17. Bundesland und neue Exportschlager

Die Herbstferien sind vorbei. Der neue Job ist angetreten und stresst etwas. Da gilt es auf die guten Tage am Rande der Alpen zurückzublicken.

Wer in die Schweiz reist, sollte nicht zu europäisch denken. Und schon gar nicht ist die Schweiz das 17. Bundesland. Deshalb ging dem Laptop taiwanischer Herkunft mit einem Zwischenstecker für Deutschland schnell der Saft aus, da der Welt-Universal-Adapter mit Übergang von der teutonischen Klobigkeit auf die schweizer Finesse fehlte. Den hatte Luo You zuvor aus dem Reisegepäck genommen, weil er europäisch dachte.

Auch die beste Ehefrau von allen dachte sehr europäisch und packte vor der Reise ihren Reisepass aus. Alles Schengen, wir bleiben auf dem Kontinent. Der Notreiseausweis für sie konnte nach einer Odyssee bei der Bundespolizei im Lindau noch besorgt werden. Wichtig war er eigentlich nur zum Ferienende, um wieder die innere EU-Außengrenze bei Schaffhausen in Richtung Heimat passieren zu können.

Übrigens scheint „bundespolizei.de“ eine Pishing-Seite zu sein. Alle Informationen für den Notreiseausweis bis zum Termin am Grenzübergang Lindau Autobahn können eingegeben werden. Aber es gab weder elektronisch noch im wirklichen Leben eine erkennbare Reaktion. Im Grenzübergang Lindau Autobahn - bereits auf österreichischem Staatsgebiet - war nur der freundliche deutsche Zoll präsent und versuchte zu vermitteln. Der Weg führte danach zurück über die bayerische Polizei, versteckt im alten Grenzübergang in Lindau, später zur Bundespolizei in der Lindauer Altstadt. Gut, dass wir zum ersten mal mit einem Navi fuhren, welches uns perfekt den Weg durch die Gassen der eng bebauten Insel wies. 25 Euros kostete das 7 Tage gültige Dokument für die Taiwanerin, dessen Ausstellung sicher für Abwechslung im eintönigen Alltag des jungen Grenzpolizisten sorgte. Der hörte im übrigen wohl zum ersten Mal von der Bestellmöglichkeit bei seiner Behörde über Internet.

Zwar waren die Schweizer Behörden absolut desinteressiert an irgendwelchen Kontrollen. Jedoch filzte uns bei der Rückfahrt der deutsche Zoll und war sehr am Tankgeld und der Reisekasse interessiert. Ob die Steuer-CDs nur ein Bluff sind und es weiter einschüchternder Grenzkontrollen für Steuerflüchtlinge bedarf? Etwas enttäuschte uns der oberflächliche Blick und das halbherzige Prüfen des Notreiseausweises, den wir mit soviel Aufwand beschafft hatten.

Im Gegensatz zu den kommunistisch regierten Chinesen haben Taiwaner keine Probleme, einen deutschen Notreiseausweis zu erhalten, da sie in den entsprechenden Rechtsgrundlagen aufgelistet sind. Die Republik China auf Taiwan wird von Deutschland nicht anerkannt, ihre Bürger erhalten aber relativ einfach vorübergehend gültige deutsche Passdokumente. Die VR China hat diplomatische Beziehungen zu Deutschland. Deren Landsleute können aber schauen, woher sie Ersatz für einen vergessenen Reisepass bekommen. Von Deutschen jedenfalls nicht.

Die Schweiz ist ein schönes Land und möchte immer noch Steueroase sein. Jedoch werden die Nachteile, nicht dazu zu gehören, und der Druck immer größer, je stärker die Nachbarländer zusammenhalten und sich europäisieren. Diesen Prozess fördert sicherlich die gegenwärtige Eurokrise. Die Schweizer können mit ihrem überteuerten Franken gut importieren und wunderbar günstig in Deutschland reisen. Nur wer will zu überteuerten Preisen Schweizer Produkte kaufen, dort seinen Urlaub verbringen oder ins Restaurant gehen - außer asiatischen, arabischen, indischen oder anderen eurofernen Wohlhabenden?

Trotz MIGROS kein Bock auf Rivella, Ovalmaltine, Maggi und Toblerone. Immerhin wurde der besten Ehefrau in empfehlenswerten Unterkunft des Bibelheims beim Frühstück das richtige Zubereiten der Ovalmaltine beigebracht. Ovalmaltine ist auch schon lange in Taiwan beliebt. Meine Frau kennt das schweizer Getränkepulver seit ihrer Kindheit. Allerdings wird es dort wegen einer wenig ausgeprägten Milchkultur verwässert. Also, von jetzt an ist Ovalmaltine stets mit kalter Milch anzurühren. Sollte die Milch zu kalt sein, darf dann noch erwärmte Milch hinzu gegossen werden.

Problematisch wird das Deutschsein nicht dadurch, dass irgendwelche Behörden und Politiker ungesetzlich Daten über Steuersünder kaufen. Das interessiert nicht wirklich. Viemehr scheint es das auffällige Heraustreten aus das Masse durch lautes Hochdeutsch sprechen oder das Auftreten von Deutschen in großer Zahl zu sein, wodurch sich der Schweizer bedrängt fühlt und Überfremdungsängste entwickelt.

Blick vom Bibelheim über den Zürichsee. Blättert das Gold der Goldküste wegen der Sorge über die Steuer-CDs und der scharfen Handtaschenkontrollen des deutschen Zolls? Die Immobilienpreise halten jedenfalls ihr hohes Niveau und Baukräne gibt es auch in größerer Zahl. Dabei öffnet sich erkennbar die Schere zwischen Arm und Reich.

Interessant könnten sicherlich die steuerlichen Fragestellungen und Gedanken an Immobilieneigentum in der Schweiz werden, wenn es mir endlich gelänge, meine Frau für das Im- und Exportgeschäft zu motivieren. Dabei denke ich natürlich nicht an Deals wie im Tatort.

Nach dem Erfolg des deutschen China-Öls in Taiwan, das selbst meinen Schwiegervater begeistert, inspirierten Schaufenster im Oberstdorf, wie die Produktpalette erweitert werden könnte. Wie wäre es mit Allgäuer Murmeltier-Öl, Pferde-Balsam und Pferde-Gel, Teufelskrallen-Creme, Hornhaut- und Fuß-Balsam, Bisam-Talg oder Wundershampoo?