Kürzlich kam mir wieder Chiang Kai-Sheks Paddel in den Sinn, als ich von aktuellen Proteste vor Rheinmetall in Düsseldorf gegen deutsche Waffenexporte hörte. Hartwig Hummel, Politikprofessor, vertrat dabei die Auffassung, dass Deutschland und Europa davon abgehen, Zivilmächte zu sein und zu Militärmächten werden, die militärische Außenpolitik betreiben.
Dabei gibt es schon seit sehr langer Zeit eine militärische Außenpolitik Deutschlands mit Waffenexporten und Vermittlung von Wissen zur Kriegsführung. Hiervon erhielt auch Chiang Kai Sheks Regime auf Taiwan etwas.
Wie es sich für einen ordentlichen Diktator gehört, hatte Chiang Kai-Shek, Paläste und Villen an den schönsten Orten in seinem Herrschaftsgebiet, um sich von den anstrengenden Strapazen des Regierens, dem Verfolgen der politischen Gegner und der Planung zur Rückeroberung des Festlandes zu erholen oder wichtige Gäste, mögliche Allierte für seine Pläne, zu beeindrucken.
Die Landschaft des Sonne-Mond-Sees, 日月潭, so wird geschrieben, erinnerte Chiang Kai-Shek sehr an seinen Geburtsort Xi1 Kou3, 溪口鎮, etwa 39 km westlich von Ningbo auf dem chinesischen Festland.
Der Sonne-Mond-See als taiwanische Fälschung des chinesischen Ting Xia Stausees in der Nähe des Geburtsortes von Chiang Kai-Shek?
Jedenfalls gefielen dem Herrscher über die Republik China offenbar die taiwanische Landschaft und auch Ruderausflüge auf dem See, wie sein am Ufer ausgestelltes Boot zeigen soll.
Bei Luo Yous ersten Besuch im Jahr 2003 gab es auch noch das dazugehörige Paddel mit der Geschichte in einem der großen Touristenrestaurants im Nachbarort Yuchi. Nach der Erzählung sollte ein Angehöriger aus der Familie der Restaurantbesitzer den Diktator regelmäßig über das Wasser gerudert haben.
Bei meinem letzten Besuch konnte ich das Paddel nicht mehr entdecken, vielleicht waren wir auch im falschen Restaurant. Jedenfalls war das Holz schon früher arg wurmstichig, so dass es mich nicht wundert, wenn Klima und Mikrofauna Taiwans das Relikt so weit aufgelöst haben, dass es nicht mehr zum Ausstellungsstück taugt.
Immer noch beindruckt das Lalu Hotel, früher Residenz Chiang Kai-Sheks, in bester Lage am See die Gäste.
Das daneben befindliche alte Hanbi Gebäude wurde unter Chiang Kai-Shek quasi inoffizielles Gästehaus der Regierung.
Unter den im Hanbi Gebäude ausgestellten Fotos findet sich auch ein Bild von Oskar Munzel, der respektvoll den großen Diktator begrüßt.
Wikipedia kennt Oskar Munzel, der auf dem Foto als deutscher Militärberater vorgestellt wird, nur in englischer und bulgarischer Sprache.
Dabei ist der 1899 in Grimmen geborene und 1992 in Bonn Bad Godesberg verstorbene Generalmajor der Wehrmacht und in der Bundeswehr durchaus eine Persönlichkeit, die einen deutschen Eintrag in Wikipedia verdient. 1945 geriet er nach dem letzten Einsatz für „Volk und Heimat“ mit Kriegsende in Gefangenschaft. 1947 wurde er freigelassen. Danach war er ab 1951 vier Jahre Militärberater in Ägypten. Von 1956 bis 1962 diente er der Bundeswehr während der raschen Aufbauphase. Bis 1983 war Oskar Munzel Sprecher der Traditionsgemeinschaft des Reiterregiments 4 bzw. Panzerregiments 6, dessen Kommandeur er zeitweise war. Sogar ein umfangreiches Buch hat er zur Geschichte des Panzerregiments 6 veröffentlicht.
Nach Chern Chen arbeitete schon Ende der 1950er Jahre der BND eng mit den Geheimdiensten in Taiwan zusammen. Weiter beteiligte sich Bonn durch den Verkauf von Rüstungsmaterial und Maschinen zur Munitionserzeugung an der Aufrüstung der Republik China. Das Auswärtige Amt hingegen lehnte eine Tätigkeit deutscher Berater vor Ort ab, um nicht zu sehr in den chinesischen Konflikt hineingezogen zu werden und um keine Option zu verlieren. 1961 plante Chiang Kai Sheks Sohn Wego, der vor dem zweiten Weltkrieg in der deutschen Wehrmacht gedient hatte, eine Beratergruppe zusammen mit dem BND aus pensionierten deutschen Offizieren zu bilden. Als Chefberater wurde Munzel ausgewählt, der 1963 zum ersten Mal nach Taiwan kam. Bis 1972 war er insgesamt achtmal in Taiwan, schien allerdings sehr unter dem subtropischen Klima zu leiden. 1972 folgte die Bundesregierung dem Kurs der amerikanischen neuen Chinapolitik. Nach dem Tod von Chiang Kai-shek 1975 endete vollends die Tätigkeit deutscher Militärberater in Taiwan.
2012 sollte die Kunst des Kämpfens den Deutschen vermittelt werden. Während Luo You - hier beim Panzerklettern auf Kinmen - den Kriegsdienst verweigerte, erteilte die Republik China seiner Frau in der Schulzeit einen fundierten Wehrkundeunterricht. Da muss sich der Ehemann in Konfliktsituationen auf gezielte Tritte und Nackenschläge à la Shaolin einstellen. Also besser immer „Ja“ sagen.
Auch ohne Militärberater, denen es scheinbar egal zu sein scheint, wem sie das Handwerk des effizienten Tötens und Zerstörens beibringen, und die am Ende dafür mit Hitlers Ritterkreuz, dem westdeutschen Bundesverdienstkreuz und einem Handschlag des Gimo belohnt werden, und auch ohne diplomatische Beziehungen zu Deutschland, daraus resultierend einem fehlenden Auslieferungsabkommen, blieb und bleibt Taiwan eine spannende Bühne deutscher militärischer Außenpolitik, wie das Beispiel vom zeitweiligen Taiwanflüchtling Ludwig Holger Pfahls zeigt. Der promovierte Rechtsgelehrte, frühere Richter und ehemals staatstragende politische Beamte nahm Schmiergeld über Schweizer Konten an, damit Panzergeschäfte mit Saudi-Arabien geschmeidig liefen. Womit sich der Kreis zu aktuellen Ereignissen und Erlebnissen schließt.
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