Willkommen im Neuen Jahr 2017
2016 war ein Jahr interessanter Veränderungen. Der Lebensmittelpunkt des Verfassers dieser Zeilen hat sich räumlich sehr verschoben. Das Geld für Brötchen, die nächste Reise nach Taiwan und China-Öl kommen jetzt von einem anderen Arbeitgeber. Nach einem Jahr ist hier beruflich eine umfassend positive Bilanz zu ziehen. Die größere Distanz zur asiatischen Kultur und zur taiwanischen-rheinischen Gemeinschaft um Düsseldorf wird kompensiert durch andere Vorzüge des neuen Lebensraums. Mehr Entspannung und Ausgeglichenheit, mehr Fläche und Landschaft stehen hier den fertig gebauten Städten des Rheinlandes, der Gier und dem ungehemmten Profitstreben im räumlich wie sozial ausgebeuteten Ballungsraum gegenüber. Klar, alles geht gesellschaftlich in die gleiche Richtung. Es gibt hier kein anderes sozial, wirtschaftliches und politisches System. Aber das Niveau ist immer noch ein anderes. Es gibt noch genug zum Kaputtmachen.
So wie sich die Welt Luo Yous privat verändert hat, so sind auch global mehr oder weniger überraschende Entwicklungen zu vermerken.
Tsai Ing-wen (蔡英文) wurde am 16. Januar 2016 zur Präsidentin der Republik China gewählt. Damit wurde die KMT auf Taiwan, die sich stärker der Volksrepublik China geöffnet hat, in der Regierung abgelöst. Die Insel wird wieder von der DPP, der demokratischen Fortschrittspartei, regiert, die mehr auf die Unabhängigkeit Taiwans bedacht ist.
Anerkennung hat ihre Regierung zuletzt nicht nur durch den für viele überraschend später in 2016 zum US-Präsidenten gewählten Donald Trump erfahren. Mit dem durfte Tsai Ing-wen, die Präsidentin Taiwans, nämlich telefonieren und dies wurde auch noch öffentlich verlautbart.
Seitdem hört die deutsche System- und durchaus an verschiedenen Stellen gerechtfertigt zu bezeichnend Lügenpresse nicht auf, im Sinne der offiziellen deutschen Ein-China-Politik, wohl von der Volksrepublik China gefordert und von den USA in früheren Jahren für die Vasallenstaaten vorgegeben, in die Köpfe einzuhämmern, dass Taiwan eine abtrünnige Insel der Volksrepublik China ist.
Zum Beispiel in der „ZEIT“:
„Seit Ende des Bürgerkrieges in China 1949 ist Taiwan ein Konfliktherd in Asien. Damals flüchteten die Truppen der chinesischen Kuomintang auf die Insel, die heute offiziell Republik China heißt und sich als eigenständig funktionierende Demokratie sieht.“
Nein, in gleicher Monotonie ist zu wiederholen: die Volksrepublik China allein ist der Konfliktherd in der Region, seitdem die Republik China auf Taiwan das Ziel aufgegeben hat, das Festland zurück zu erobern. Taiwan sieht sich nicht als funktionierende Demokratie. Sie ist es. Insbesondere beim Vergleich zu verschiedenen anderen Ländern, wo die Autokratie wieder Einzug hält, etwa der Türkei oder Russland. In Taiwan wechseln die Regierungen wie auch in den USA.
Die Insel heißt natürlich offiziell Taiwan. Sie befindet sich in der Republik China, zu deren Herrschaftsbereich auch noch andere kleinere Gebiete und Inselchen gehören, die nicht von den Kommunisten besetzt werden konnten. Die Republik China wurde 1911 gegründet und ist damit deutlich älter als die Volksrepublik China. Nach dem Sieg über die Japaner im 2. Weltkrieg wurde nach 1945 an die Republik China gegeben. Es ist dann wohl eher das chinesische Festland, was abtrünnig wurde. Letztendlich war es der Wandel in der Politik Nixons, der die Republik China auf Taiwan so in die internationale Isolation geführt hat. Da fragt sich der Betrachter, ob die USA zu Nixons Zeiten gegenüber der Volksrepublik China nicht auch ein Modell, vergleichbar dem deutschen mit DDR und Bundesrepublik, hätte durchsetzen können. So fänden 22 Millionen Menschen auf Taiwan wenigstens in den internationalen Gremien, wie der UNO, eine angemessene Vertretung.
Jedenfalls sind die Staaten trotz Ein-China-Politik und fehlender diplomatischer Beziehungen wieder alle da und fokussieren auf Taiwan, wenn sich Länder in ihren Belangen beeinträchtigt fühlen. So hat eine Parade als Nazi verkleideter Schüler, Israel und Deutschland aufgerufen in Taiwan zu protestieren. Ich habe gar nicht gewusst, dass es überhaupt Israelis in Taiwan gibt, sagt dazu die beste Ehefrau von allen.
Immer noch wird das alleinige Recht zur Auslegung der Welt und Wahrheitsfindung vom Westen reklamiert. Merkt denn dort niemand, dass es in Asien höchst peripher interessiert, wann und wie ein Massenmörder auf der anderen Seite der Welt Millionen umgebracht hat. Über die eigene Ignoranz regt sich im Westen aber niemand auf. Wen interessiert hier das Schicksal der Millionen Opfer von Maos „Sprung nach vorne“ oder die Bedrohung vieler Minderheiten im asiatischen Raum?
„Was siehst du aber den Splitter in deines Bruders Auge und wirst nicht gewahr des Balkens in deinem Auge?“ Diesen Lehrsatz aus der Bibel hat offenbar die westlich-christliche Leitkultur für sich ausgeblendet. Wie lange muss Deutschland noch diese peinlichen Nazi-Märsche und ekligen, sogenannten „Heldengedenken“ ertragen? Ich will nicht, dass diese Clowns die Leiden meiner Großelterngeneration, verursacht durch ihren Looser Adolf Hitler, für ihre Zwecke verdrehen und verhöhnen.
Aber in Taiwan, das gar nicht von Deutschland als Staat anerkannt wird, gegen einen läppischen Schülerunfug im Minirock zu protestieren, das schaffen noch unsere Regierungsstellen. Wie armselig!
Übrigens hatte sich kürzlich auch Klaus Bardenhagen in einem bemerkenswerten Artikel seines Blogs mit der Sprache der deutschen Presse über Taiwan befasst.
Apropos Blogger-Welt: ein großer Verlust! Fu Ludigel hat Taiwan verlassen und sich dem Duterte-Regime auf den Philippinen angeschlossen. Dieser Wechsel ist ein sehr bedauerlicher Verlust für den deutschen Blick aus Taiwan. Ein besonderer Dank an ihn für die vielen Jahre unverfälschter Information und aktueller Eindrücke von der Insel durch die oliginal deutsche Brille.
Screenhot vom taiwanischen Fernsehen CTI via Internet heute. Nächsten Monat geht es nach Formosa zum Verwandtschaftsbesuch und zum Urlaub. Ziel wird unter anderem Liuqiu auf der Lambai-Insel südlich von Donggang, zugehörig zum Landkreis Pingtung, sein.
Trotz der persönlich guten Situation und des nahen Urlaubs bleibt der Blick in das Jahr 2017 eher kritisch.