Freitag, 29. Dezember 2017

Taiwan - Eine Toyota-Reise (Teil 1)

Intime Überlegungen

Wie in vergangene Jahrzehnte versetzt, fühlte sich der Autor dieser Zeilen im Januar des Jahres 2017, also vor etwa 12 Monaten. „Da Jie“, die älteste Schwester der besten Ehefrau von allen, erlaubte uns den alten Toyota Turtle, äh Tercel, für den Urlaub in Taiwan zu nutzen. Den hatte ihr meine Frau mit der Übersiedlung nach Deutschland vermacht. 18 Jahre hatte das etwas ausgebleichte, aber stets zuverlässige Automobil schon auf dem Buckel. Doch der Wagen meisterte wieder die schwierigsten Verkehrssituationen auf der Insel und die höchsten Berge. Defensiv ließ er die mörderischten Überholmanöver hormonell überhitzter BMW- und Poschefahrer, schneidende Motorroller beim Rechtsabbiegen und den Psychodruck der Stoßstangen von Fuso-Sattelschleppern auf dem Steigungen auf Taiwans „Provincial Highway 9“ unbeschadet über sich ergehen. Dank einer großartigen Fahrerin.

Erinnerungen kamen da an frühere Jahre in Taiwan auf, so aus dem April 2007, als der Toyata noch relativ neu war.

Das Autor dieser Zeilen dachte während der Reise oftmals an ein Buch über Spanien, das er in jungen Jahr erworben hatte. Mangels Internet zur damaligen Zeit ging der Kauf über die Buchhandlung nur nach dem neugierig machenden Titel im Verzeichnis der lieferbaren Bücher. Statt eines Reiseführers gab es einen kleinen Fotoband mit den aktuellen Volkswagenmodelle Mitte der 1970er Jahre vor schönen spanischen Orts- und Landschaftszenen. Die Titelseite bildet den Scirocco in berbergelber Ausführung ab, ein Wagentyp, mal gedacht als Nachfolger des Karmann Ghia. Der hier Schreibende hatte die große Freude, einen solchen Scirocco als erstes Fahrzeug sein eigen nennen zu können.

Im Baujahr dieses ersten eigenen PKW, dem Jahr 1977, war sein späterer Fahrzeugführer erst 13 Jahre alt. Fünf Jahre später konnte er das sportliche Modell übernehmen. Leider fiel das Baujahr in eine Zeit, wo nach der Legende minderwertige Bleche verarbeitet worden waren, so dass Rost ein ständiger Begleiter war. Bei so mancher Kurve auf der A 43 zwischen Bochum und Witten heute noch das Bild aus den frühen Jahren zurück, als der Scirocco in der Ausführung LS mit eckigen Scheinwerfern und 75 PS bei 175 km/h sein Bestes gab.

Alles Vergangenheit. Die Autos sind größer geworden und langlebiger. Statt billigem Blech gibt es heute Software-Tricks. Automatik und Elektronik haben den Abstand zum Herz der Maschine immens vergrößert, die Verkehrsdichte hat im Ruhrgebiet ins Unerträgliche zugenommen. Freude am Fahren kommt da nicht mehr auf.

In Taiwan war am Ende der Tour festzustellen, dass die Zahl der Stunden auf dem Autositz doch eine sehr große war.

Dabei wären viele Orte direkt mit dem Zug zu erreichen gewesen, vielleicht noch mit einer kurzen Taxifahrt. Für die Bewegung vor Ort sind über viele Pension und Hotels Motorroller oder Fahrräder zu leihen. In manchen der besuchten Orte sind Fahrradverleiher wirklich unglaublich präsent.

Die erste Etappe für von Kaohsiung (高雄) nach Südosten zur Fischer- und Hafenstadt Donggang(東港). Hier ist der Startpunkt für die Fähren nach Xiao Liu Qiu (小琉球), auch Lambay Insel oder „Goude Leeuws Eylandt“ genannt. Im 17. Jahrhundert rotteten die Niederländer die ursprüngliche Inselbevölkerung aus, nachdem diese einen Teil der Mannschaft des Schiffs „Goude Leeuw“ („Goldener Löwe“) verspeist hatte. Heute erinnert noch an dieses schreckliche Ereignis das Restaurant „Goude Leeuw“ in der Inselmitte, dass in der Form eines alten Segelschiff errichtet wurde. Na, dann guten Appetit!

Während der Schiffüberfahrt nach nach Xiao Liu Qiu (小琉球) plaudert im laufenden Fernsehprogramm Bäcker Wendel aus Taipei in seiner Heimat, der Pfalz, über gutes Essen und deutschen Wein.


Mit der gemächlichen deutschen Bäderschiff-Kultur haben die Fähren wenig gemeinsam, auch wenn auf Xiao Liu Qiu (小琉球) der wichtigste Wirtschaftszweig neben dem Fischfang der Tourismus ist. Hier geht es etwas flotter zu, wenn das Schiff durch die Wellenberge schneidet.

Den Blumenvasenfelsen (花瓶石) auf Xiao Liu Qiu (小琉球) muss jeder gesehen und fotografiert haben.

Der ewige Führer schaut gütig auf die Schönheiten und Reize seiner Insel nieder.

Am 5. Dezember 2017 beschloss das gesetzgebende Parlament seiner Republik China auf Taiwan, dass jegliche verherrlichende Erinnerung an seine Diktatur aus dem öffentlichen Raum entfernt werden muss. Sind wohl die Tage seines verwitterten Abbildes in Betonwerkstein auf diesem Podest gezählt? Daneben ist sicher noch Gewichtigeres aus der jüngeren Geschichte Taiwans aufzuarbeiten. Zutiefst menschenverachtendes Handeln gab es nicht nur im 17. Jahrhundert.

Topless in Taiwan. Fernab politischer Verfolgung öffnen sich die Menschen. Kann bei solchen Aussichten der wohlwollende Gesichtsdruck des über allen stehenden, großväterlichen Generalissimus Chiang Kai Sheks (蔣介石) noch als die Diktatur verherrlichend angesehen werden?

Zu schnell mussten wir das subtropische Eiland Xiao Liu Qiu (小琉球) wieder verlassen. Der alte, aber verläßliche Toyota brachte uns ins Paradies der Postmoderne, zum Nationalmuseum für Vorgeschichte in Taidong (臺東).

Architekt dieser Ikone der Postmoderne war der Amerikaner Michael Graves.

Im März 2004 war ich dort gesehen, also etwa anderhalb Jahre nach der Eröffnung des Museums. Jetzt war ich über das Wiedersehen sehr erfreut. Wir wohnten im angegliederten Hotel, was neben Museumsbesuchern wohl auch für Gäste von Kongressen des Museums konzipiert ist. Für jeden Tag des Aufenthaltes gab es eine Eintrittskarte zum Museum. :-)

Außergewöhnliche Felsstrukturen hat der Pazifik mit seinen Wellenschlägen in unendlicher Zeit aus dem Sandstein von Xiaoyeliu (小野柳) herausgewaschen.

Unsere Exkursion im Tercel führte an dem Tag entlang der Ostküste über Doulan bis zur Tungho-Brücke und wieder zurück nach Taidong (臺東).

Eine Toyota-Reise im Januar 2017 - Es ging weiter nach Norden.

Bei Chihshang (池上) gab es einen Stopp an der „Mr. Brown Avenue“. Eigentlich ist die „Avenue“ ein eher landwirtschaftlicher Weg, der einige Siedlungen mit der Hauptstraße im Huatung-Tal, den östliche Grabental („East Rift Valley“) Taiwans von Taitung bis Hualien, verbindet.

Weil der lange Weg zu allen Seiten noch recht unverbaut ist, sich vor der Ernte die grünen Reishalme schön auf den großen Feldern im Wind bewegen, das Zentralgebirge einen ansehnlichen Hintergrund liefert und nur wenig Verkehr herrscht, wurde die seltene Idylle in Taiwan Drehort verschiener bekannter Werbespots, so für den pfandfreien Dosenkaffee „Mr Brown“.

Am Ende hat dies der Gegend nochmal einen kräftigen Schub für den Fremdenverkehr gebracht, „Mr. Brown“ bestimmt mehr Umsatz und dem rohstoffreichen ….errr ...-armen Taiwan mehr Recyclingmaterial.

Noch kein Recyclingmaterial ist dieser Tercel …. er läuft und läuft.

Die nächsten Übernachtungen gab es in der schon lange stillgelegten Hualien Zuckerfabrik in Guangfu. Die ehemaligen Wohnquartiere für die Beschäftigten des geschlossenen Werkes sind mit Respekt vor der Geschichte und unter Beachtung des Denkmalschutzes zu einer schönen Feriensiedlung geworden.

Auch der japanische Wohnstil wurde konsequent bis zu Rückenschmerzen für den europäischen Seitenschläfer und einer ungenügenden Gebäudeheizung, so wie es im durchaus wintergewohnten Japan üblich ist beihalten. Dafür gab es dann aber auch den Holzbottich fürs heiße Bad.

Als Abstecher vom direkten Weg nach Hualien besuchten wir die ehemalige Holzfällersiedlung Lintienshan (林田山).

Bei meinem ersten Besuch 2001 hatte die Siedlung noch viel von ursprünglichen Charme. An den alten Holzgebäuden und den Resten der Waldbahn nagte ein bissiger Zahn der Zeit. Authentisch waren die Beschäftigten und Bewohner des Orts. Es schien, dass nur wengige Reisende den Platz kannten.

Nach einen großen Brand kurze Zeit nach meinem Besuch, der fast die gesamte Siedlung zerstörte, erfolgte ein Wiederaufbau. Heute ist Lintienshan der perfekte Touristenort, ein Freilichtmuseum zur Entspannung am Rande steiler Waldberge, an einer für den normalen Touri aber nicht passierbaren Pforte zu einer wilden Natur mit risikobehafteten Herausforderungen und etlichen Gefahren, so durch fehlende Erreichbarkeit im Notfall, geologisch instabile Bereiche mit Erdrutschen und Steinschlag, mangelnder Absturzsicherung an steilen Hängen, Tieren, die mit ihren Giften die Leib oder Leben schaden können.

Nichts von dem hat die Dong Hua Universität in Hualien. Sicheres Gebiet beim Blick vom Balkon des Gästehaus in der Nähe des Universitätsgeländes. Unsere Gastgeber hatten sich ihren Lebenstraum erfüllt und ein kleines Paradies geschaffen, dass sie jetzt mit ihren Gästen teilen können.

Waidade Taiwan (偉大的台灣)!

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