Dienstag, 22. Januar 2013

Eigentlich sehr unchinesisch

Oder „Sei kein Krähenschnabel!“

Beim Durchklicken der Fotos für den letzten Post zum Thema „Modellbahn und Schauanlagen“ dachte ich wieder an etwas Eigentümliches, das meiner Frau und mir im taiwanischen Erdbebenmuseum aufgefallen war. In dem Museum wird an das schwere Erdbeben vom 21.9.1999, bei dem 2415 Menschen ums Leben kamen, erinnert. Es verursachte schwerste Schäden an Gebäuden und Infrastruktur.

Das Hauptgebäude des Erdbebenmuseums umschließt die frühere Sportanlage der Grundschule in Wufeng (霧峰).

Quer durch den Sportplatz und die Laufbahn hob sich die Erde um mehrere Meter. Die Auswirkungen dieser Naturgewalt werden für die Besucher anschaulich bewahrt und durch weitere Objekte dargestellt.

Das eingestürzte Schulgebäude zeigt dem Menschen wie gering seine Möglichkeiten sind, natürliche Ereignisse zu beeinflussen, und warnt ihn. Unsere Psyche ist nun einmal so eingestellt, dass Erlebnisse in der Vergangenheit mit dem Zeitablauf ihren Schrecken verlieren. Andererseits werden mögliche zukünftige Entwicklungen in ihrer Wirkung tendentiell unterschätzt. Wie sonst konnte und wird so sorglos mit der Kernenergienutzung und Gentechnologie umgegangen?

Nach all dem Naturterror und der umfassenden Sachinformation erwartet den Besucher das 921 Café im umgebauten früheren Tribünengebäude am Sportplatz. Die aufgestellte Fahne weist den Weg und sorgt für mehr Umsatz in der Gastronomie.

Das moderne helle und freundliche Design lädt zum Verweilen und entspannten Kaffeegenuss ein.

Befremdend ist allerdings, dass ein Geschäftslokal nach einem Erdbebens benannt wird, das so viele Todesopfer und so viel Leid verursacht hat. Ja sogar durch verdrehte Löffelstiele - eine als Anspielung auf die von der Erdverschiebung verbogenen Eisenbahnschienen - werden die im wahrsten Sinne erschütternden Folgen der Naturkatastrophe persifliert.

"不要烏鴉嘴 (Bùyào wūyā zuǐ)“ sagt mir meine Frau und meint damit, „Sei kein Krähenschnabel!“ und dass ich nichts Schlechtes herbeireden soll. Im chinesischen Kulturkreis ist es tabu, über negative Ereignisse offen zu reden. Tabu ist eigentlich ebenso, Unternehmen danach zu benennen, dies auf Rechnungen oder bei der Ladeneinrichtung herauszustellen, wie es im 921 Café geschieht. Es ist ein schlechtes Zeichen und es besteht die Sorge, dass diese schlimmen Dinge dann auch eintreten oder andere böse Sachen auf einen zukommen.

Die Redewendung mit dem Krähenschnabel kannte ich zuvor nicht. Die schwarze aßfressende Krähe mit gräßlicher Stimme, quasi der Pechvogel, ist das Bild für etwas Schlechtes und Negatives in der chinesischen Kultur. Nach dem deutschen Aberglauben heißt es „Man soll den Teufel nicht an die Wand malen.“ oder „Wenn man vom Teufel spricht, kommt er.“ Allerdings ist das Verständnis doch etwas anders. In Deutschland dient der Spruch meines Erachtens mehr der Bewertung in einer abwägenden Diskussionen, was passieren kann, oder von bereits Geschehenem. Die Idee der Tabuisierung und des besser nicht darüber Sprechens ist im asiatischen Denken scheinbar stärker verankert.

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