Mittwoch, 30. Januar 2013

Das Dutzend ist voll

12 Jahre Reisen in Taiwan - 12 Years Of Travel in Taiwan

Am 31. Januar 2001, also vor fast genau 12 Jahren, startete ich meine erste Reise nach Taiwan. Sie dauerte bis zum 15. Februar 2001. Damals war der visumsfreie Aufenthalt auf maximal 14 Tage begrenzt. Für den bis dahin nur westlich orientierten Westler eröffnete sich eine völlig neue Hemisphäre. Aber eigentlich war auf so einem runden Planeten klar, dass irgendwann der Mensch aus dem Abendland, der seinen Horizont immer mehr nach Westen erweitert, im Osten ankommen wird.

Die Reise des deutschen Touristen in Begleitung zweier attraktiver Chinesinnen republikanischer Nationalität ging zwischen den beiden größten Städten der Insel, Kaohsiung und Taipei, vornehmlich durch den Osten Taiwans.

Eine kurze Übersicht zum Reiseverlauf, wobei ich an den Orten mit (*) übernachtete: Flug mit KLM - Kaohsiung (*) – Tainan - Meishan (*) – Southern Cross Highway – Yushan Nationalpark - Yakou – Lidao - Wulu Schlucht - Chihshan (*) - Mit dem Fahrrad rund um Guanshan – Luyeh – Hungye Baseballmuseum – Loshan-Wasserfall - Yuli mit Karaoke - Am Xiuguluan Fluss bei Rueisuei – Lin Tien Shan - Hualien (*) – Tianhsiang (*) im Taroko Nationalpark – Seeklippen - Ilan und Luodong (*) – Luodong Sports Park – Taipei (*)

Am 1. Februar 2001 setzte ich meinen Fuß in Taiwan zum ersten Mal auf asiatischen Boden. Ganz in der Tradition der vereinigten ostindischen Kompanie VOC, die im 17. Jahrhundert die subtropische Insel beherrschte, brachten mich Holländer mit ihrer Fluggesellschaft KLM in die Ferne.

Mit der ersten Exkursion ging es von Kaohsiung nach Tainan. Um mir gleich die gesellschaftlichen Grundlagen der fernen Landes nahe zu bringen, besuchten meine Reisegefährtinnen mit mir zuerst den Konfuzius-Tempel. Beim Gegenbesuch in Deutschland konnte ich mich dann mit dem Kölner Dom revanchieren, der in der Baumasse reichlich mehr darstellt. Im Gegensatz zum eigenen Religionsstifter war es der Kirche in der Historie immer wichtig durch gigantische Bauwerke und Protz zu beeindrucken. Dies ist bei touristischen Besuchen aus fernen Ländern heute durchaus ein Vorteil. Neben dem Staunen über eine völlig andere Architektursprache verwunderte mich in Taiwan die Freude meiner Begleiterinnen an der Kalligraphie auf den Wänden und Schrifttafeln im Tempel. Dabei ist der Konfuzianismus gar keine Religion, sondern mehr eine Weltanschauung und Morallehre.

Auch die Offenheit zwischen den unterschiedlichen Ausrichtungen, wie Buddhismus, Daoismus oder volksreligiösen Vorstellungen war durchaus etwas völlig Neues, hatte ich doch zuvor in Deutschland gelernt, dass Dörfer im hessisch-bayerischen Grenzgebiet früher über zwei Dreschflegel verfügten, einen katholischen und einen evangelischen. Religionskriege oder brutale Konflikte wie in Nordirland waren für meine Begleiterinnen unvorstellbar.

In Tainan lernte ich auch schnell, dass die Europäer in Taiwan seit dem 1. Februar 1662 nicht mehr viel zu sagen haben. Ich erreichte also die Insel am 339. Jahrestag des Rauswurfs der holländischen Machthaber, der mit dem Vertrag von Zeelandia, benannt nach einer Festung in heutigen Gebiet von Tainan, besiegelt wurde. Aber dazu mehr an anderer Stelle und zu anderer Zeit.

Auf dem Gelände des früheren Fort Provintia zeigte mir eine Skulpturengruppe, wie der letzte Gouverneur der VOC, Frederic Coyett, sich dem chinesischen Militärfüher Koxinga oder Zhèng Chénggōng (鄭成功) ergibt. Das hätte sich vermeiden lassen, wenn die Holländer besser chinesisch gelernt hätten, nicht auf unzuverlässige Unterhändler angewiesen wären und China im Wandel zur Qing-Dynastie keine so großen innenpolitischen Probleme gehabt hätte. Dadurch übernahm Koxinga Taiwan als eigenen Stützpunkt. Wäre das nicht passiert, vielleicht sprächen die Taiwaner heute niederländisch. Und niemand hätte die Idee, dass Taiwan ein Teil Chinas sein könnte.

Das wilde Taiwan folgte in den nächsten Tagen. Auf dem „Southern Cross Highway“ stießen wir in die Berge zum Yushan-Nationalpark vor.

Nein, das ist nicht meine Familie. Ich kenne diese Leute überhaupt nicht. Wir haben uns nur gegenseitig vor den blühenden Pflaumenbäumen auf dem Weg vor Meishan, wo wir in der Jugendherberge übernachteten, fürs Reisealbum fotografiert. Solche Bilder gab es zuvor auch in Tainan. Soweit ich mich erinnere folgten auf späteren Taiwanreisen keine Einladungen Eingeborener zu gemeinsamen Fotoaufnahmen mehr. Vielleicht ist mir der unschuldige und neugierige Ausdruck des Erstbesuchers verloren gegangen, der zur Anfrage für die Fotosession lockte. Vielleicht streife ich heute zielgerichteter durchs Eiland, schaue weniger rechts und links und gebe damit keine Chance mehr zur schüchternen und zurückhaltenden Kontaktaufnahme. Wer weiß, was die Ursache ist?

Die Offenheit, Freundlichkeit und das Interesse der Menschen gegenüber Ausländern war stets beeindruckend und wurde sehr positiv aufgenommen. Das galt besonders für den Reisenden, der aus einem Land kam, in dem vermehrt zu dieser Zeit ausländerfeindliche und rassistische Anschläge auftraten und sich das eigene Land mit diesen Fragen auseinandersetzen musste.

Die Jugendherberge von Meishan war der ideale Ort für eine Übernachtung und zur Annäherung an rituelle Feuer, die die frische Bergluft verrauchten, sowie die Ökonomie und Kultur der Betelnuss. Damals war Meishan noch äußerster Zipfel des Landkreises Kaohsiung. Nach der Kommunalreform und dem administrativen Verschmelzen von Kreis und Stadt vor einigen Jahren ist die entlegene Berggegend Bestandteil der Großstadt Kaohsiung geworden, was einen unerfahrenen Betrachter der Karte durchaus irritieren kann.

Einen der geografischen Höhepunkte auf dem ersten Abschnitt der Reise bildete neben dem Blick auf dem Yushan, dem höchsten Berg Taiwans, der Yakou-Tunnel. Verschiedene Erdrutsche und Unwetter haben das Gebiet zwischenzeitlich sehr geschunden.

Das erste süße Taiwan-Würstchen bekam ich hinter dem Tunnel im Kreise von Straßenverkäufern und lokaler Bevölkerung aus der Bergregion. Später überzeugte in Yakou die Premieren-Instant-Nudelsuppe.

Beim Abstieg führte der Weg über und durch ein Meer von Wolken nach Lidao.

In der Mitte des Dorfes christlich missionierter Bergbewohner hieß ein bunter Weihnachtsbaum den Reisenden willkommen. Auf der Hochterrasse blühten Obstbäume über Teefeldern. Es war das erste Mal, dass ich Kirschblüten im Winter sah, aber auch die ersten von Betelnüssen geschwärzten Zähne aus der Nähe betrachten konnte.

Nachdem wir die Wulu-Schlucht als kleine Schwester von Taroko passiert hatten, kamen wir in das östliche Grabental (East Rift Valley / 花東縱谷) zwischen dem Zentral- und dem Küstengebirge.

Ziemlich mongolisch wurde es in Chihshan. Früher hatte die „Taiwan Sugar Corporation“ (TSC) hier große Zuckerrohrfelder und eine Zuckerfabrik. Da die Zuckerproduktion nicht mehr konkurrenzfähig war, wurde sie aufgegeben. Aus Flächen und nutzbaren Gebäude entstand das „Taiwan Sugar Pastoral Farm Resort“ für den Tourismus. Als besonderes Angebot gab es mongolische Jurten für Reisegruppen auf dem weiten Grasland, wo ehemals das Zuckerrohr wuchs.

Nicht im „Mungo Bau“, dem Mongolenzelt, war unsere Unterkunft. Darin tollten Jugendcliquen herum. Für uns waren Zimmer im Gästehaus der früheren Zuckerfabrik reserviert. Chihshan ist ein gut gelegener Ort, um interessante Ziele in der Umgebung zu besuchen. So ist etwa Guanshan (關山鎮), auch Kuanshan geschrieben, von dort einfach zu erreichen.

Im Jahr 1997 wurde hier Taiwans erste Fahrradroute entwickelt. Eigentlich war der Helm zum Befahren der Strecke unnötig, aber vor allem wegen der starken subtropischen Sonne und nicht nur wegen der Sicherheit entschied ich mich, ihn zu tragen. Bei den späteren Aufenthalten in Taiwan wurde der Sonnenschutzhut zu meinem treuen Begleiter.

Es geht die Geschichte herum, dass der damalige Bürgermeister von Guanshan ein begeisterter Radfahrer war und mit dem Investitionsprojekt den lokalen Tourismus fördern wollte. Die Rechnung ging auf. Am Eingangspunkt zur Radstrecke hatte sich eine große Zusammenballung von Fahrradverleihern, Verkaufständen, Imbissstuben, Garküchen und kostenpflichtigen Parkplätzen entwickelt. Aber alles war noch in einem Rahmen, der einen sehr angenehmen Aufenthalt zuließ.

An einem der folgenden Tage besuchten wir Luye, ein Ort, zu dem ich oft wiederkehrte. Leider ist das weite Teefeld auf der Hochfläche oberhalb des Dorfes verschwunden. Eine öde Wiese bietet heute den Bustouristen mehr Auslauf und die Möglichkeit von Spaziergängen. Das ist sehr bedauerlich, weil gerade diese Teeplantage mit dem benachbarten Teehaus den Reiz des Ortes ausmachte.

Am südöstlichsten Punkt, den ich 2001 erreichte, kam ein Gefühl von Taiwahnsinn auf. Hungye ist eine Bergsiedlung des Ureinwohnerstammes der Bunun, irgendwo am Rand des Zentralgebirges. Baseball wurde in Taiwan vor vielen Jahren richtig populär durch den überragenden und außergewöhnlichen Erfolg des Teams von Hungye im pazifischen Raum. In der Grundschule des Ortes findet sich deshalb das Baseball-Museum mit vielen Sammelstücken. Wie ein Schutzgott wacht der Baseballspieler auch heute noch über das kleine Dorf.

Nach dem Besuch von Hungye ging der Reise weiter nach Norden durch das Grabental, dem „East Rift Valley“ (花東縱谷). Die Fortsetzung der Reisebeschreibung folgt in Kürze.

1 Kommentar:

  1. Toller Bericht. Ja, irgendwie merken die Taiwaner die Newcomer und fühlen sich zu ihnen hingezogen, kenne ich auch. Muss mal wieder im Spiegel diesen Newbie-Taiwanblick üben, war eigentlich ganz lustig.

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