Dienstag, 13. Januar 2015

Abgedrängt

Ureinwohnerinnen okay, Chinesinnen okay, Showgirls nein!

Zum Jubiläum des Kentinger Strandhotels gab es nicht nur ein Sonderangebot für die Gäste, nämlich ein tägliches Nachmittagsbuffet inklusive, was natürlich weit über Kaffee und Kuchen hinaus ging. Darüber hinaus fand ein nettes Fest statt, was die Hotelangestellten selber organisiert hatten. Sie hatten im Kongressbereich des Hotels eine kleine "Food Mall", so eine Art Marktstraße, aufgebaut. An den Ständen wurden vom Vormittag bis zum frühen Nachmittag im Wesentlichen für einen günstigen Betrag besondere Spezialitäten außerhalb des üblichen Standardprogramms angeboten, wie Gänseköpfe mit Hals oder Badzang, die in einem Blatt eingewickelten chinesischen Reisknödel, welche es gewöhnlich zum Drachenbootfest gibt.

Alles waren Angebot, die zwar hübsch exotisch aussahen und Fragen aufwarfen, aber die westliche Nase nicht wirklich reizten. So war mehr Gelegenheit für gemeinsame Fotos mit den Ureinwohnerinnen im gesetzteren Alter, die sich in den typischen Trachten ihrer Stämme gekleidet hatten, und den Mitarbeiterinnen, die in züchtigen Kostümen höhergestellte Menschen aus der chinesischen Qing-Dynastie repräsentierten. Freundlich lächelnd war Zeit genug, Urlaubserinnerungen in allen Konstellationen auf die Speicherkarten zu bringen.

Dabei wurde es erst richtig spannend am Ende der Mall, wo eine kleine Bühne aufgebaut war mit einem besonders schrillen Stand nebenan. Schlecht für den Fotografen, der umgehend zur Kehrtwende auf den Rückweg in Richtung Ausgang abgedrängt wurde. Von den drei sexy Show-Girls blieb nur ein rascher Schnappschuss, auf dem lediglich eine von ihnen zu sehen ist. Jede Chance für ein gemeinsames Posen wurde mit dem Hinweis "Du bist eh zu schüchtern!" abgedrückt.


Kein Karaoke im Duett oder was sonst dem in den höheren chineschen Schriftzeichen Ungebildeten angeboten wurde. Die Schlange, mit der ich verheiratet bin, schaffte es, diplomatisch geschickt, jede weitere Annäherung nach meinem offenbar mehr als innerlichen WOW abzuwenden.

"Wir können ja später nochmal kommen und schauen, ob dann mehr los ist, und noch Fotos machen", räusperte sich Luo You. "Das schaffen wir nicht. Wenn du Fotos machen willst, dann jetzt", schwupps stand ich mit der perfiden Psychologie von Ehefrau und der sie unterstützenden Mutter vor der sich öffnenden Aufzugstür zur Tiefgarage.

An den Tag folgte ein sehr langer Ausflug ins Sisal-Museum, wo die frühere Bedeutung dieses Produktionszweiges für Taiwan anschaulich und ausführlich dargestellt ist, und nach Baisha, der Strand, wo der Tiger an Land ging.

In der Flut chinesischer Touristen ertränkt, statt von süßen Bunnies auf die Bühne gehoben zu werden. - Dieser Tag hätte durchaus anders verlaufen können.

2 Kommentare:

  1. Interessante Einblicke in das Land des..äh Lächelns? (oder war das ein anderes)
    Ist der Autor wirklich 20 Jahre alt, wie der Jahrgang 1994 suggeriert, oderbegann sein "Taiwan-Leben" in diesem Jahr

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    1. Nein, der Schreiber ist einige Jahrzehnte älter. 94 hat auch nichts mit 1994 zu tun. Luo You wurde im 94. Jahr der chinesischen Republik, was im Jahr 2005 nach unserer Zeitrechnung war, durch Eintrag in das taiwanische Haushaltsregister "geboren". Ein "Taiwanleben" gibt es seit dem Jahr 2000. 2001 habe ich zum ersten Mal meinen Fuss auf die Insel gesetzt..

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