plus „Pay two, get one‟
In gewisser Hinsicht geht den europäischen Mittelmeerländer das Vorurteil voraus, die Dinge nicht ordentlich geregelt zu bekommen. Die großen Jahrhunderte der Seefahrernationen Spanien und Portugal, was immerhin Formosa den Namen gab, sind längst vorbei. Vom Reichtum aus dem Handel mit Indien und der Ausbeutung Südamerikas ist wenig übrig geblieben.
Die konservativ-autoritäre Diktatur Salazars, der Isolationismus und die teuren Kolonialkriege Portugals, die Phasen der Neuorientierung nach der Nelkenrevolution 1974 und der nachfolgende Demokratisierung haben sicherlich zuletzt dazu beigetragen, dass Portugal in der sozialen und ökonomischen Entwicklung zurückfiel.
Rückfahrt nach dem Ausflug zum Westtellerrand der Erde mit der Straßenbahn über Colares nach Sintra: Gefordert ist in Portugal das klare Handzeichen, um das Verkehrsmittel anzuhalten und jede Verwechselung mit einem fotografierenden „Tramway Spotter‟ auszuchließen. Die antike Tram ist heute nicht mehr ein unverzichtbares Verkehrsmittel in einem rückständigen Land. Sie ist schon längst zur Museumsstraßenbahn geworden, die von den Portugiesen zum Erhalt ihres technisch-kulturellen Erbes finanziert werden kann.
Insbesondere durch die europäische Integration sowie die Chancen als Brückenkopf nach Südamerika und Afrika hat das Land aufgeholt, auch wenn Armut und Depression, Verfall und Ungleichheit weiter bestehen und partiell noch wachsen dürften.
Diese Widersprüche reflektiert auch die Hauptstadt Lissabon. Um die alten Stadtviertel hat sich ein Ring von neuen hochverdichteten Vorstädten, Einkaufs- und Arbeitsplatzzentren sowie Autobahnen und Schnellbahnen gelegt, wie es sie auch in Taipei oder Berlin gibt. Dennoch hat Lissabon viel Einmaliges und Eigentümliches, dass den Besuch und auch die Wiederkehr lohnt.
Die steilen Hügel der Altstadt und die Vororte nach Westen werden von den Straßenbahnlinien der Verkehrsgesellschaft „Carris‟ erschlossen. Die meisten Linien der Straßenbahn werden von modernisierten zweiachsigen Elektrotriebwagen befahren. Die technische Modernisierung liegt nun immerhin auch schon zwanzig Jahre zurück. Allein auf der Linie 15E nach Belém und Algés im Westen fahren Niederflurgelenktriebwagen, die 1995 als erste Neubeschaffung nach 1964 erworben wurden. Als historische Monumente bestehen zudem drei Standseilbahnen in der Innenstadt, die der durchschnittliche Fußgänger in wenigen Minuten ablaufen kann.
In stärkerem Maße bedeutsam für die Wirtschaftsentwicklung Lissabons und die Mobilität der Bevölkerung sind als Massenverkehrsmittel die elektrischen Vororteisenbahnen, quasi S-Bahnen, die Untergrundbahnen und verschiedenen Buslinien. Daran, wo sich die Linien mit Passagieren füllen und leeren, wird schnell erkennbar, dass die Altstadt nicht mehr der Impulsgeber für das moderne Lissabon sein kann. Die schmalen Gassen, engen Straßenräume und fehlenden Entwicklungsmöglichkeiten schränken zu sehr ein.
Wer beim zufälligen Straßenbahntrip mit der Altstadtlinie 28 vom „Palácio da Assambleia Nacional‟ nach „Martim Moniz‟ fünfmal erlebt, wie die Schienen mit Autos und Lieferwagen ohne Respekt zugeparkt werden und der Straßenbahnfahrer dann nur wartend auf die Bimmel hauen kann, sieht wieweit diese Strukturen vom modernen Wirtschaftsleben entfernt sind.
Längst „spielt die Musik‟ diesbezüglich im Gürtel um Lissabon und den Achsen nach Casceis, Sintra und Oriente. Ob hier der Ausbau insbesondere der Metro und weiteren technischen wie auch sozialen Infrastruktur angesichts der finanziell nötigen Aufwendungen und dem Sparzwang andererseits mithalten wird, ist fraglich.
Erkennbar ist, dass nach den vielen Investitionen in den 1990er Jahren, sich der Staat in den letzten Jahrzehnten einer neoliberalistisch orientierten Wirtschaftspolitik entsprechend mehr Zurückhaltung verordnet hat – mit den bereits beschriebenen Folgen eines Auseinanderdriftens in der Gesellschaft zwischen Armut und Reichtum (Wer kann sich einen Zooeintritt von 19 Euro leisten?), zwischen städtebaulichen Verfall und Boom, wirtschaftlicher Zukunftslosigkeit und Konzentration des Kapitals.
Statt Zoobesuch Entenfüttern im Park: Die frei zugänglichen öffentlichen Gärten sind Dank der tierliebenden Lissaboner mit Federvieh übervölkert und an einigen Stellen ziemlich zugeschissen. Gut, dass es bisher fast nur Tauben und Enten sind. Gänse, die etwa den Köbogen in Düsseldorf übernommen haben, koten dicker.
Akrobatik zur Einkommensverbesserung an der Autobahnausfahrt: Rechtzeitig vor der Grünphase klopft die Darstellerin an die Scheiben, um einen kleinen Obulus für ihre Vorführung zu erbitten. Immer noch besser als angebissene Hamburger in der „Food Mall‟ des nächsten Einkaufszentrums zu suchen oder sich zu prostituieren, dachte Luo You, wobei ihm auch die Pfandflaschen einsammelnden Rentner und Hartz-IV-Empfänger aus Deutschland in den Sinn kamen.
Internationale Handelsketten in Lisbonner Hausruinen: Der Eingang mit dem kleinen Schild „LIDL‟ ließ eine aus der Zeit gekommene Kolonialwarenhandlung erwarten. Innen überraschte das Geschäft nicht nur mit einem zeitgemäßen Ausbau und einer Großflächigkeit entsprechend den deutschen Filialen. Vielmehr bot es auch ein hervorragendes Angebot von portugiesischen Weinen, regionalen Spezialitäten, Meeresfrüchten und Fischen, wie dem berühmten Stockfisch, dem „Bacalhau‟.
Bei soviel Stock... äh Haifischkapitalismus und sozialen Themen ist auch der Tourist gefordert besonders aufzupassen, nicht nur auf die Taschendieben, vor denen in Aushängen durch Straßenbahnen oder in allen Reiseführern gewarnt wird. Touristenfallen können an jeder Ecke aufgestellt sein. Dass bei den Spaniern schon mal etwas beim Organisieren, Frühstück machen oder Rechnen durcheinander gerät, ist dem Autor aus eigener Reiseerfahrung durchaus bekannt. Aus den Lusitaniern sind wir nicht so richtig schlau geworden. War es nur ein einfaches Verrechnen zu unseren Ungunsten? Zu oft passierte dies in den wenigen Tagen. Das unbestellte Vorspeisen bezahlt werden müssen, kannte der Autor dieser Zeilen schon aus früheren Jahren in Italien. Da wird zum Teil saftig zugeschlagen. Nette Restaurants weisen in Portugal darauf hin.
Bestellt und erkennbar auf dem Tisch sind eine Suppe, eine Quiche mit Salat, eine einfache Quiche, ein Milchkaffee und ein Wasser.
Die „Secretos de Porco‟, die Geheimnisse des Schweins auf der Rechnung werden für immer ein Geheimnis bleiben. Erst nach dem Verlassen des Bistros in der Nähe der Lissaboner Burg „Castelo de São Jorge‟ und dem innerlichen Nachrechnen stellte ich den ungerechtfertigten Zuschlag von 9,40 Euro fest, den ich mir natürlich zurückgeholt habe. Angeblich waren die schweinischen Geheimnisse noch vom letzten Kunden ein offener Posten in der Kasse. Ohne Getränke und Extras?
Na jedenfalls haben wir seitdem die Rechnungen besser überprüft.
„Pasteis de Nata‟ am „Tejo‟: Im Einkaufszentrum „Vasco da Gama‟ war die Rechnung für die „Pasteis‟ richtig, aber Inhalt in der Tüte falsch. Nur einen „Pasteis de Nata‟, ein portugiesisches Vanilletörtchen gab es im Einkaufszentrum. Zwei waren bestellt, zwei wurden bezahlt. In der Tüte fand sich aber nur ein aufgewärmtes Törtchen wieder. Also wieder zurück und das zweite abgeholt.
Die Häufung solcher Vorfälle, von denen hier nur zwei beispielhaft dargestellt sind, war schon auffällig, aber kann natürlich durchaus nur reiner Zufall gewesen sein. Immerhin gibt es auch gute Erlebnisse.
So in Belem: Während die Törtchen im Laden besorgt werden, können die Ehemänner draußen mit den Digitalkameras spielen und die Schönheiten des Landes fotografieren.
6 „Pasteis der Belem‟ bezahlt, 6 außergewöhnlich leckere „Pasteis de Belem‟ (nicht zu süß, sehr knusprig, alles in den richtigen Proportionen) bekommen, dazu noch in einer schönen Verpackung und Originaltüte mit der Aufschrift „Pasteis de Belem‟. Der bekannte Laden ist wirklich zu empfehlen, wobei der Preis trotz Berühmheit der Bäckerei im Rahmen dessen lag, was auch im Einkaufszentrum gefordert wurde. LIDL war billiger (0,39 Cent / Stück). Deren „Pasteis de Nata‟ haben uns gut geschmeckt haben. Sie waren nach unserem Geschmack deutlich besser als die aus dem Einkaufszentrum.
Faire Rechnung, landestypische Mengen im Restaurant so wie in Deutschland, gutes rustikales portugiesisches Essen, tolle Beratung und Empfehlungen durch die Bedienung: das Restaurant Valbom in der Avenida Conde de Valbom 112 kann ebenfalls weiter empfohlen werden.
Überraschung am Ende: Bei der Sicherheitskontrolle des Flughafen Lissabon galt es die Wanderschuhe auszuziehen und im Röntgengerät durchleuchten zu lassen. Ersatzweise gab es Fußpräservative für den Weg durch den Metalldetektor. Dies sorgte aber zunächst für Irritationen, wenn die Wanderschuhe abgegeben werden müssen und stattdessen zwei blaue Duschhauben angeboten werden. So gab es viele Erst- oder Einmaligkeit in diesem so abseits gelegenen und bisher so unbekannten Land am westlichen Tellerrand.
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