Und vergängliche Schönheit am Sonne-Mond-See
Es gibt Orte in Europa, die bei vielen Asiaten hoch attraktiv und bekannt sind, aber von der durchschnittlichen westlichen Bevölkerung selber kaum wahrgenommen werden. So erging es mir, als ich auf Betreiben meiner Frau vor etlichen Jahren den Löwen von Luzern in der Schweiz besuchte. Busse voll mit Japanern, Koreanern, Chinesen, Taiwanern und und und steuern täglich dieses Ziel zum Besichtigen und Fotografieren an.
Das gilt auch für die Heerstraße in Bonn. Während der Kirschblüte in diesen Jahr hat die beste Ehefrau von allen im Strom der Besucher eine der vermeintlich schönsten Straßen der Welt bewundert. In der Tat ist das Frühjahr mit explodierenden Blüten, sich entfaltenden Blättern und frischem Grün sowie hervorschießenden Pflanzen die beeindruckendste Jahreszeit in unseren Breiten. Die kurze Zeit mit überbordenden Farben und Düften macht uns klar, wie vergänglich das Leben und wie schnell Lebenszyklen sind.
Einen Lebenszyklus scheint es auch beim Toilettenhaus im Toskana-Landhausstil am Sonnen-Mond-See zu geben, wie mir beim kürzlichen Vergleich von Fotografien aus verschiedenen Jahren auffiel. 2003 waren das Gebäude und seine Umgebung fast perfekt, um eine mediterrane Illusion aufzubauen. Aber was ist aus dem vermutlich schönsten Klohäuschen Taiwans geworden, was ich im Blog mehrmals anpries?
Schon etwas verblasst ist die Schönheit im Jahr 2007. Der markante Stein mit den chinesischen Zeichen „Sonne Mond See‟ wurde übrigens später zum Streitpunkt chinesischer Touristen, die nach der Öffnung Taiwans für den Reiseverkehr die Insel überfluteten. Tausende von ihnen und nur ein Stein als Fotorequisite und als beschriebener Beleg, für den Reiseort an dem sich der Fotografierte befindet, ging nicht auf. So hat die Verwaltung heute an vielen Orten rund um den See solche Steine aufgestellt, um den Urlaubern einen möglichst konfliktfreien Aufenthalt zu ermöglichen. An besonders stark frequentierten Orten erleichtern zudem Leitbänder die Orientierung zum Anstellen zur Fotoaufnahme.
Im Januar 2015: Zum Fotografieren für ein hübsches Urlaubsbilder ist das eigentlich nicht mehr geeignet. Was kann jetzt noch an Niedergang kommen? Läuft das Café gut, wird der Besitzer irgendwann entscheiden, das Gerümpel zur Seite zu schieben, sein gesamtes Ensemble von Bänken, Tischen, Stühlen, Sonnenschirmen und Anbauten an das WC-Häuschen einschließlich des Gebäudes selber niederzureißen und durch ein massives Gebäude zu ersetzen. Läuft das Geschäft schlecht, passiert das gleiche, aber es wird danach ein protziges Hotel mit Geschäften und Restaurants im Erdgeschoss errichtet. Obwohl es so aussieht, als wäre alles zugestellt: Der Weg ist geebnet, diesen ehemals freien und öffentlichen Raum, erhaben über dem Sonnen-Mond-See, der kapitalistischen Profitgier weiter preiszugeben. Schade, dass dies ohne Not, wie auch ohne Sinn für die Schönheit des Ortes und seiner Umgebung geschieht.
Wie die Frühjahrsblüten so kann auch die Schönheit von Plätzen vergehen. Anders als die herrlichen Farben und Düfte, die jedes Jahr wieder kommen, ist aber für den kleinen Park über dem See zu befürchten, dass der degenerative Bauprozess eben nicht in einen Zyklus mündet, sondern unumkehrbar tief nach unten geht.
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