Für Rückfahrt von Kenting vergangenen März überzeugte ich die beste Ehefrau von allen den Weg über Tung-Kang zurück nach Kaohsiung zu wählen.
Was mich vor allem nach Tung-Kang zog, waren die Bilder einer netten Nebenbahn im ländlichen Taiwan. Vierachsige Dieseltriebwagen, die solo auf der Strecke pendelten, und Dieselloks der Baureihe S200, die lediglich mit einem Passagierwagen verkehrten, bildeten das regelmäßige Verkehrsangebot auf der Strecke. Die Abbildungen sah ich in der vorliegenden Literatur. Zu nennen sind hier „One Century Of Railways In Taiwan - Local Lines“ von Hung Chih-Wen (洪致文, auch Hóng Zhì Wén geschrieben) aus 2001 (ISBN 957-13-3285-2) und „台灣鐵路環島風情“ (Taiwans Eisenbahn rund um die Insel erleben - Besondere Strecken), verfasst von Sū Zhāo Xù (蘇昭旭) im Jahr 2004 (ISBN 986-7916-57-3). Mich bewegte die Frage, was noch davon übrig war, nachdem die Bahn endgültig im Jahr 2002 stillgelegt wurde.
Die Tung-Kang-Bahn zweigte von der Hauptbahn, die um Taiwan führt, südlich von Pingtung (屏東) bei Jhenan (鎮安, auch Zhen-An) ab. Sie führte zum Endbahnhof in Tung-Kang (東港 oder Dong-Gang), einer Stadt mit einem sehr großen Fischereihafen im Südwesten des Eilands.
Die Strecke wurde während des zweiten Weltkriegs unter japanischer Herrschaft gebaut, um eine dort eingerichtete Marinebasis ans Schienennetz anzuschließen. Eröffnet wurde sie am 19.7.1940. Die Zweigbahn hatte eine Gesamtlänge von 6,2 km.
Der letzte Personenzug zwischen Tung-Gang und Jhenan verkehrte auf der Eisenbahnlinie am 28.2.1991. Wenige Bilder erinnern an ihn.
Weil die Luftwaffe immer noch einen Stützpunkt in dem Gebiet nutzte, blieb noch ein Teilstück der Strecke bis zur Aufgabe der militärischen Nutzung in Betrieb. So wurde 2002 schließlich der Restbetrieb auf der Bahn aufgegeben. Heute ist der Flugplatz verfallen. Die militärischen Einrichtungen sind für private Zwecke umgenutzt. Nach dem Luftbild zu urteilen, befindet sich hier offensichtlich eine Rennbahn für Go-Carts, wie sie in Taiwan so oft in den letzten Jahren entstehen.
Nur noch wenig deutet auf den früheren Eisenbahnbetrieb hin. Bei Google Street View ist noch einem ehemaliger Bahnübergang, heute zugewuchert und vermüllt, in der Nähe des Abzweigs zum früheren Militärflugplatz zu entdecken.
In Tung-Kang ist das Bahnhofgebäude ist verschwunden. Vor Ort können die Reste des Bahnsteigs oder der Verladerampe ausgemacht werden. Immerhin heißt die Bushaltestelle noch „東港 火車站“ (Tung-Gang Bahnhof).
Angesichts des abgeräumten Bahnhofsgeländes fand die eisenbahnarchäologische Feldarbeit nur im Vorüberfahren statt.
Im Gegensatz zu meiner Erwartung ist das Gebiet also gar nicht mehr ländlich, sondern stark zersiedelt. Das Bahnhofareal wird von vierspurigen Straßen und einer dichten Bebauung umrahmt. Eigentlich könnte unter heutigen Bedingungen die Nutzung und Mobilität im Großraum Tung-Kang eine Reaktivierung des Bahnbetriebs rechtfertigen. Aber das Thema fehlt auf der Agenda von Taiwans Verkehrspolitik.
Wir konzentrierten uns zur Freude meiner Frau nun voll auf eine Besichtigung des berühmten Fischereihafens.
Im Vordergrund stand dabei die Verkaufshalle des Einzelhandels für Fisch und Meeresfrüchte, welche in Taiwan quasi Synonym des guten Essens sind. Nach dem großen Einkauf der empfindlichen Ware ging es dann kühl klimatisiert und zügigst zurück nach Kaohsiung zum heimischen Kühlschrank.
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