Es klappt doch noch. Nach den letzten Reisen war mein Selbstwertgefühl in Taiwan stark gesunken. Ich wurde schon lange nicht mehr gefragt, ob ich mit auf das Foto irgendwelcher mir zuvor völlig unbekannter Taiwaner wollte. Und eigentlich wurde ich nie gefragt, nie direkt gefragt. Meine Frau wurde fast immer angesprochen, ob der „Waiguoren“, der Ausländer an ihrer Seite für eine gemeinsame Aufnahme zur Verfügung steht. Da kam immer das Gefühl auf, nicht der Ehemann sondern eine Art behaartes Haustier zum Tätscheln, Streicheln und Fotografieren zu sein, das gerade einmal zum Lastesel für Koffer, Rucksack (Siehe Bild unten!) und Laptop oder zum Wegbringen des Abfalls taugt.
Lesen kann er nicht, die Sprache spricht er nicht, wird unterstellt. Wer ihn auf Englisch anspricht – was in Taiwan vom Kindergarten an gelehrt wird - riskiert den Gesichtsverlust, da die Verständigung in der fremden Sprache möglicherweise doch nicht so perfekt klappt. Also besser den sicheren Weg wählen und seine Begleiterin, sein Frauchen, ansprechen.
Am 15. März 2013 war nicht der Bahnhof von Kaohsiung sondern das "Pier 2 Arts Center" (高雄駁二藝術特區) die richtige Gegend für einen Sonntagsausflug mit anschließendem Cappuccino und Käsekuchen. Viele der alten Lagerhallen wurden geöffnet, für Ausstellungen, museale Zwecke sowie Konzerte umgenutzt und teilweise künstlerisch gestaltet.
Keine Groupies von Luo You sondern der elektronischen Hip-Hop-Band Magic Power (魔幻力量) nutzten die lange Zeit des Wartens bis zum Konzertbeginn für gemeinsame Erinnerungsfotos. Posen und Fotos ja, Tanzen und Video nein! Ich hab es schließlich in den Knien. Und keine Veröffentlichung der Bildern im Internet waren meine Forderungen ;-) Außerdem wollte ich auch Fotos für meine Urlaubsbilder auf der eigenen Speicherkarte haben.
Die nächste Begegnung mit der fotografierenden Art folgte im - mal wieder - italienischen Restaurant, wo eine meiner Nichten als Teilzeitbedienung arbeitet. Ein Oberstufenschüler entdeckte mich nach dem Essen neben der Kasse stehend und riss die Augen auf. Er erklärte meiner Frau in der Landessprache, dass er die Hausaufgabe habe mit einem „Waiguoren“ Englisch zu reden und ein Foto zu machen. Da sein Englisch nur schlecht ist, wäre es aber okay nur ein Foto zu machen.
Das wäre wohl Betrug, sagte ihm meine Frau. Damit erfüllt er seine Hausaufgabe nicht.
Nach der Übersetzung seines Anliegens durch meine Gattin, schlug ich auch vor, nur ein gemeinsames Foto zu machen und auf die Konversation angesichts meiner einsetzenden Müdigkeit zu verzichten. Das war dann ganz im Sinne des Schülers, der seine Freundin den Auslöser am Smartphone drücken ließ. Als er dann zur Umarmung aus großer Dankbarkeit mächtig ausholte, wich ich zurück. Es genügt doch waiguorenisch die Hand zur Verabschiedung zu reichen. Seine überschwängliche Reaktion führte insgesamt zu großer Erheiterung in meiner Abendgesellschaft. So bleibt es lustig auf der "Ilha Louca".
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