Sind Italiener Über-Taiwaner?
Diese Frage bewegte Luo You in den letzten Wochen. „意大利週“ schreibt niemand, so die Taiwanerin im Haushalt. Na und? „Los Wochos“ sagt auch niemand und trotzdem lief unter dem Slogan die Werbung für Tex-Mex-Produkte einer Fast-Food-Kette.
Um den deutschen Herbst und Winter zu verkürzen, verbrachten meine Frau und ich einige Tage im Süden Italien.
Aufgrund der schlechten Bus- und Zugverbindungen am frühen Morgen, hatten wir beim Hinflug nach Neapel mehr als ausreichend Zeit uns den Flughafen Köln Bonn anzuschauen. Ins Auge sprang uns dabei die schicke, designorientierte Smoking Lounge.
Äußerst geräumig mit geschmackvollen Clubsesseln, angenehmer Beleuchtung, einer angedeuteten Holzvertäfelung und großen Wanddrucken von jungen, gutaussehenden Damen, die neben der Zigarette zum Genuß von Capuccino und Latte Macchiatto auffordern, ausgestattet, gut belüftet sowie in der Nähe der Flugsteige gelegen, wird jeder Nichtraucher auf diese Lounge neidisch. Wer konvertiert da nicht gerne vom Tabakverächter zum Kettenraucher, wenn statt der grau-metallisch und technoid-anonymen Hallenatmosphäre die anheimelnde Geborgenheit eines tropisch gelben Pavillons die Zeit bis zum Abflug überbrücken hilft?
Wie anders geht es da auf taiwanischen Flughäfen zu. Weit weg von der Öffentlichkeit findet sich irgendwo verborgen zwischen den Terminalgebäuden ein einziges und kleines – daher oft mit Menschen gefülltes - weiß gekalktes Zimmer mit flackernder Neonleuchte, das den von der Rauchsucht geplagten Menschen, die Möglichkeit vor dem Hintergrund einer absoluten Ausnahmesituation (Die Erkrankten können aus Gründen der Flughafensicherheit nicht einfach für eine Zigarette raus gehen.) eröffnet, ihrem krankhaften und für die Volkswirtschaft und -gesundheit schädlichem Leiden nachzukommen.
Vielleicht ist diese Strategie des Abgewöhnens einer der Gründe, warum die Krebsrate in Taiwan noch deutlich niedriger als in Deutschland liegt. Der Flughafenchef in Köln könnte darüber nachdenken.
Die nächste Gelegenheit zum Vergleich mit Taiwan hatten wir dann im Flughafen von Neapel. Im März 2013 hatte ich geschildert, wie ich trotz einiger Widrigkeiten (Damals war insbesondere der Flug von Taipei nach Kaohsiung ausgefallen und Luo You stand vor einer völlig neuen Situation.) problemlos durch Taiwan reisen konnte.
In Neapel gab es eigentlich keine Widrigkeiten oder Unvorgesehenes. Es war eine tägliche Absurdität, welche die Reisenden erwartete. Besondere Hinweisschilder zur Haltestelle und zum Busanschluss in das Gebiet, das Touristen aus aller Welt anzieht, fehlten. Wir hatten zwar die Basisinformation aus dem Internet, etwa darüber, die Fahrkarten im Bus verkauft werden. Aber wo ist genau die Bushaltestelle? Dort, wohin die allgemeinen Schilder führten, hielten nur die Stadtlinien. Die Touristenbusse und Fernreisebusse kurvten zwar vor dem Flughafengebäude, hatten hier aber keine Einstiegshaltestellen. Die vorab eingeholte Basisinformation aus dem Internet war nicht zielführend. Also fragen wir Menschen, die sich auskennen sollten, zum Beispiel Flughafenmitarbeiter, Polizisten, Taxifahrer.
Was im Reiseführer zur Region Neapel zu lesen war, trat ein: „Sie erhalten auf jede Ihrer Frage eine Antwort. Es muss aber nicht die richtige sein.“ Dies ist übrigens auch eine Feststellung, die für Taiwan Gültigkeit hat. Wie die Taiwaner sind auch die Italiener Auswärtigen grundsätzlich sehr freundlich gesonnen, so dass der Tourist nur selten ein „Nein“ hören wird.
Also bedeutete das, bei der Suche nach dem Busstop den Hinweisen zu folgen, in eine Richtung zu laufen, sich wieder zurück zu bewegen, Information einzuholen, in eine andere Richtung zu laufen, wieder umzukehren, die Information bei anderen Personen zu ergänzen und wieder zurück und so weiter.
Für alle, die in eine ähnliche Situation kommen sollten: Die korrekte Haltestelle von „Curreri Viaggi“ am Flughafen von Neapel nach Sorrento mit Anschluss an die Amalfiküste war im Oktober 2013 (was sich etwa wöchentlich in Italien ändern kann) 368 m vom Flughafengebäude entfernt. Sie liegt hinter einem Kreisverkehr. Ignorieren Sie vorher alle anderen Haltestellen, insbesondere die des Stadtbusses und des Alibaba, äh, Alibusses. Gut, dass wir uns schon auf schwierige Wege hinsichtlich des Umfangs und der Aufteilung unseres Gepäcks eingestellt hatten.
Bei Googles Street View ist dort noch ein Parkplatz zu sehen, der aber zum Zeitpunkt als Bushalteplatz genutzt wird. Bei Google Maps fehlt an der Stelle natürlich auch der Eintrag als Bushaltestelle.
Der öffentliche Verkehr um Neapel ist meines Erachtens eine herausragende Leistung an Ineffizienz. Für die etwa 60 km ins Zielgebiet benötigten die Buslinien (hin) 3 bis (zurück) 4 Stunden. Allein um ein Touristenpaar für der Ruinenstadt von Pompei abzusetzen, brauchte der Bus etwa etwa halbe Stunde. Von der Autobahnabfahrt ging es direkt in den Stau und es staute sich dann durchgehend bis zur Wiederauffahrt. Dabei sieht in Neapel eigentlich alles nach Ruinenstadt aus, so dass es diesen Abstechers überhaupt nicht bedurft hätte.
Mein Blick auf das Weltkulturerbe Pompei. Was geht denn hier ab? Der Kommerz regiert, einige sahnen ab. Solange die Kasse klingelt spielen Rücksichtnahme und Nachhaltigkeit keine Rolle.
Hinterlassenschaften aus der Vergangenheit, besonders bei Pompei. Prägend für das kollektive Weltgedächtnis sind Neapel und sein Müll. Kennen die Menschen im mittleren Ruhrgebiet die Abfälle Neapels noch als Versuch, Überkapazitäten in Hertens Verbrennungsanlage zu mindern, so sind sie meiner Frau noch prägend aus ihren ersten Reisen nach Europa Mitte der 1980er Jahre bekannt. Damals streikte die Müllabfuhr und der stinkende Dreck stapelte sich in den Straßen der Mittelmeermetropole.
Die miesen Leistungen im öffentlichen Verkehr relativieren sich etwas, denn nach den Routenplanern braucht der individuelle PKW-Fahrer für die zugestauten Stadtstraßen und langsamen Bergstraßen auch noch etwa anderthalb Stunden.
Staus und Engpässe an vielen neuralgischen Punkten, so an den Ortseinfahrtsstraßen. Sogar außerhalb der Hauptsaison und lokalen Spitzenverkehrsstunden bestehen Verkehrsverhältnisse, die sowohl in Deutschland wie auch Taiwan seit Jahrzehnten Vergangenheit sind.
Wenn der Euro gefährdet wird, dann liegt dies sicher daran, dass die südeuropäischen Volkswirtschaften Deutschland beim Drehen an der Produktivitäts- und Kostenschraube kaum gefolgt sind. Wie können Waren noch erschwinglich sein, die mit dem Fahrer im Lieferwagen innerhalb einer Region einen halben Tag auf der Straße stehen? Wieviel Zeit wird vergeudet, wenn 60 Menschen im Bus sitzen, um 2 Mitreisende mittels einer einstündigen Schleifenfahrt in einem Ort fern der Autobahn abzuholen?
Kein Wunder, dass bei solchen Verhältnisse nur wenige ein vernünftiges Einkommen erzielen können und die Schattenwirtschaft blüht. Sogar dem unvoreingenommenen Touristen fällt auf, dass der Busfahrer zwei Tickets á 10 Euro verkauft, aber nur einen Fahrschein aushändigt. Sind die anderen 10 Euro für die eigene Hosentasche?
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