Bin ich auf Okinawa?
In der Vergangenheit konnte ich regelmäßig, wenn ich im internationalen Flughafen von Taipei auf den Anschlussflug nach Kaohsiung wartete, die für den Start nach Okinawa bereite Maschine sehen.
Irgendwann empfand ich das Ziel selber als sehr reizvoll. Im 19. Jahrhundert wurden die Inseln in den japanischen Staat eingliedert. Die meiste Zeit des Jahres liegt die Temperatur in Okinawa über 20 Grad Celsius, was die südlichste Inselgruppe Japans zusammen mit Stränden und Meer, Kultur und Geschichte zu einem interessanten Touristenziel macht. Lediglich die starke US-amerikanische Militärpräsenz könnte vielleicht die Urlaubsfreude beeinträchtigen.
Meinen Enthusiasmus gebremst hat dann am 20. August 2007 der verunfallte Flug 120 von China Airlines. Glücklicherweise konnten alle Passagiere und die Crew aus dem Flugzeug entkommen, bevor es explodierte. Auch wenn Flugzeugunglücke selten passieren, hat es mir gezeigt, wie nah sie zumindest räumlich und im Denken sein können.
Für meine Reise nach Capri waren diese Gedanken bedeutungslos. Der gewöhnliche Reisende erreicht das Eiland mit dem Schiff insbesondere von Ischia, Neapel, Sorrent und Positano aus. Trotz ruhiger See braucht es dennoch mehr als einen „Captain Seasick“, um das Boot sicher nach Capri zu bringen.
Und da waren Italiener im Thyrrhenischen Meer auch nicht gerade vertrauensbildend, was Ereignisse aus jüngerer Vergangenheit angeht.
Die blaue Grotte haben wir bei unserer Exkursion nicht erreicht. Der eingeschränkte Fahrplan der Schiffe im Oktober, welcher sich quasi täglich ändern kann, hatte die Aufenthaltsdauer auf Capri sehr eingeschränkt. Ersatzweise zeigt das Foto die „Grotta dello Smeraldo“, die am Besuchstag blau und nicht smaragdgrün, wie zu erwarten gewesen wäre, schimmerte. Sie befindet sich in Conca dei Marini zwischen Positano und Amalfi.
Wir hatten uns stattdessen auf Capri entschieden, zum Tiberius-Palast an der Ostseite der Insel zu laufen. Nach dem Reiseführer sollte die archäologische Stätte 1 Stunde vor Sonnenuntergang schließen. Die Verwaltung der monumentalen Ruinen hat dies ein wenig umgeschrieben. Jetzt schließen die Tore um 1 Uhr, sicher um den Angestellten einen längeren Feierabend zu ermöglichen. Mit Standseilbahn und einem strammen Fußmarsch erreichten wir den Ort um 12.58 Uhr. Freundlich ließ uns ein Wärter für knapp 2 Minuten herein, um ein paar schnelle Fotos zu schießen und ohne dass wir ein Eintrittsgeld zahlen mußten. Es ist festzustellen, dass sich Capri wirklich nur mit wenigstens einer Übernachtung lohnt. Eine gute Vorbereitung sollte ebenfalls nicht fehlen, um die Zahl der möglichen Überraschungen gering zu halten.
Akut wurde die Frage, ob ich auf Okinawa bin, auf dem Rückweg beim Erreichen des Fährhafens von Capri. Zeitweilig entstand die Atmosphäre eines asiatischen Touristenzentrums.
Die Aufteilung der Touristen nach Herkunft auf diesem kleinen Flecken Erde kann fast als Indikator für die wirtschaftliche Stärke der Kontinente und Regionen dieses Planeten gelten. Da liegen Nordamerika und Asien, voran mit Japan, ganz vorne. Es folgen Europa, partiell mit osteuropäischem Einschlag, und ein bischen Südamerika. Die Erwartung einer stärkeren indischen Präsenz liegt in der Luft, als wenn die Pizza mit Curry bestreut würde. Völlig draußen ist Afrika an diesem Ort. Nicht einmal dunkelhäutige Straßenhändler treten auf Capri in Erscheinung.
Die ganze deutsche Italiensehnsucht, von Generation zu Generation weiter getragen, lässt sich da am besten auf der Terrasse von Ginas und Pepes Pension in Nocelle befriedigen. Wenn die Sonne hinter Capri – den letzten sichtbaren Erhebungen im Hintergrund – im Meer versinkt, gibt es kein Halten mehr.
Da müssen natürlich die Caprifischer auf dem Notebook so oder so raus. Bestimmt schon seit den Zeiten der Völkerwanderung besteht dieser tiefgründige Drang nach Süden und damit eines der Prinzipien der deutschen Leidkultur (angesichts der winterlich-dunkelkalten Verhältnisse im eigenen Lande). Ob dies in den Integrationskursen hinreichend vermittelt wird? Ich habe Zweifel.
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