Riesen-Jiaozi und Scooter-Virtuosen
Der Zeitbedarf für die Anreise von 1.20 Uhr am frühen Morgen bis gegen 16 Uhr beim Bezug der kleinen Gartenwohnung bei der Villa Ruffolo in Ravello sowie die Vielzahl der neuen Eindrücke hat zum frühen Einschlafen am ersten Tag in Ravello beigetragen. Dabei nahm der Flug von Köln nach Neapel nur knapp 2 Stunden in Anspruch.
Die kleinen Gassen und Treppenwege um die Residenz, in der wir lebten, sind weder für Autos noch Motorroller geeignet. Die Nachtruhe war in keiner Weise gestört. Es schien uns fast so, als wären wir die einzigen Gäste in der Villa, deren Ursprünge bis ins 14. Jahrhundert zurückreichen sollen und die unter anderen bereits Peter Greenaway als Gast gesehen hatte.
Wie erfreulich war es, den Sonnenaufgang über Salerno auf unserer Terasse zu erleben. Den Erwartungen entsprechend bekamen wir den Sommer, der uns in Deutschland schon erloren gegangen war, in Italien zurück. Den Pool hielten wir übrigens in einem jungfräulich-unbenutzten Zustand, um die Reflektion des glatten Wasserspiegel nicht zu stören.
Ravello ist nicht nur als Ort herausragend, sondern auch ein guter Ausgangspunkt, um Amalfi und die weitere Umgebung zu erkunden. Dabei sollten nicht nur die Busgesellschaft SITA in die Überlegungen einbezogen werden. Als Transportmittel eignet sich auch – so mein persönlicher Tipp - der Sightseeing-Bus zwischen Ravello, Amalfi und Maiori. Im Gegensatz zu den regelmäßig überfüllten Standardbussen ist er meistens leer, benötigt die gleiche Reisezeit, fährt auch nicht wesentlich seltener, lässt die Landschaft durch das fehlende Dach wunderbar erleben und kostet lediglich 50 Cent je Fahrt mehr. Als Inhaber der 24-Stunden-Karte von Unico Costiera hatten wir sogar eine kostenfreie Fahrt inklusive im Sightseeing-Bus. Die freundliche und hübsche Begleiterin im Sightseeing-Bus hilft im guten Englisch gerne weiter, wenn es um Fragen zum Tarifdschungel und Sonstigen geht. Eine Antwort bekommt man immer.
An Komplizierheit und Unübersichtlichkeit ist das süditalienische Tarifssystem im Busverkehr durchaus dem deutschen zu vergleichen. Vielleicht verstehen es noch einige Busfahrer und Experten. Die Fahrkartenverkäufer in den Tabakwarengeschäften und kleinen Läden sowie Nutzer aber kapieren es schon lange nicht mehr. Und: Alles kann sich von einem Tag auf den nächsten verändern.
Der Standardbus verkehrt nicht besonders häufig und ist oft übervoll. Stinkt hier jemand? Ja, der Sitznachbar hält sich bereits die Nase zu, Luo You drückt sich die Kamera ins Gesicht und der Fahrer schaut ernst drein.
So reist der Tourist lieber von Amalfi nach Ravello. Den Duft der italienischen Frauen genießend wird die Fahrt im vollen Bus auf engen Bergstraßen vom Abenteuer zum Erlebnis. Auch dem Busfahrer macht es so mehr Spaß. Mit Handy am Ohr verabredet er sich zum abendlichen „Birra“ (Bier) mit seinen Freunden vor dem Stammlokal. Überhaupt wird gerne und lange am Arbeitsplatz, so auch an Kassenhäuschen und Schaltern, über Handy mit Freund, Freundin, Mama und Familie geplaudert. „In Taiwan wären die längest rausgeflogen“, so die beste Ehefrau von allen.
Und überhaupt empfiehlt sich mehr der Motorroller wie auch in Taiwan als ideales Verkehrsmittel - hier vor azurblauen Himmel mit den Farben der italienischen Flagge in Szene gesetzt - , wenn nicht eine Abhol- oder Mitnahmemöglichkeit in Wagen eines Freundes oder Familienangehörigen besteht.
Oft haben wir an Haltestellen mit vielen anderen Menschen zusammen gewartet. Bevor der Bus kam, standen wir dann aber wieder alleine da, weil alle anderen zuvor in irgendeinem Auto eingestiegen sind und mitgenommen wurden. So wenig attraktiv ist der öffentliche Nahverkehr an der amalfitanischen Küste.
Mit der Einführung der Vespa und Lambretta nach dem zweiten Weltkrieg haben die Italiener für die weltweite Popularität kostengünstiger und einfach zu bedienender Motorroller gesorgt. Sie schufen die Grundlage für eine neue Form der Massenmobilität. Wie in Taiwan stehen häufig die Roller über zig Meter am Straßenrand dicht gepackt nebeneinander. Die lange Tradition im Umgang mit den Maschinen, die Enge der Straßen und die Dichte des Verkehrs haben viele Menschen in Italien zu wahren Motorrollervirtuosen werden lassen. Mit so viel tänzerisch-verspieltem Geschick und Eleganz können Taiwans Scooter-Fahrer eindeutig nicht mithalten. Das war unsere klare Feststellung vor Ort.
Und nochmal einmal zeigte sich die Kultur auf der Apenninhalbinsel als übertaiwanisch. Da staunt die Begleiterin nicht schlecht. Zum Ende des Tages bringt nach der Bestellung einer italienischen Calzone die Bedienung einen gigantischen Mega-Jiǎozi (餃子) auf den Tisch. Das erreicht keine Teigtasche in Taiwan!
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