Die Beschreibung einer Modellbahnanlage über Taiwan in drei Kapiteln
Wer gerade nicht auf Taiwan sein kann, hat - der globalisierten Spielzeugeisenbahnindustrie sei Dank gesagt - die Möglichkeit sich schöne Orte seiner Lieblingsinsel zumindest als Modell ins ferne Europa zu holen.
Eisenbahnromantik pur im ländlichen Taiwan bietet die Fahrt mit dem Zug von Rueifang (瑞芳) nach Jingtong oder Chingtung (菁桐) über die Pingshi-Linie. Hier verlässt soeben der Triebwagen den Bahnhof von Chingtung und bewegt sich zurück in Richtung der Hauptbahn zwischen Taipei und Osttaiwan.
Nach vielen Jahren des Sammelns von Ideen und etlichen gefertigten Vorentwürfen ist die Planungsphase für die Eisenbahn in Nachbildung der TRA (Taiwan Railway Administration) beendet. Nun geht es an die Umsetzung.
Das Konzept basiert auf der Gleisgeometrie von alten Arnold Rapido Gleisen in Spur N. Es mag Gleissysteme gegeben, die dem Vorbild näher sind, aber hier regiert der Gedanke der Nachhaltigkeit und Verwendung bereits vorhandener Ressourcen aus den Tagen der Jugend.
Mit dem Eisenbahnplaner 3D lässt es sich so lange „scrabbeln‟ bis die Schienen sägefrei zusammen passen. Inspiration für den Entwurf lieferte Ivo Cordes mit seinem Alpenkarussel.
Bei der Übertragung von der Schweiz nach Taiwan, von Spur HO auf N kam eine L-Förmige Anlage heraus, die circa 125 x 160 cm Raumbedarf hat. Dabei misst der linke Schenkel 125 mal 65 cm, der rechte Schenkel 90 mal 160 cm.
Thema ist ein kleiner Ort am osttaiwanischen Pazifik. Eine Küstenbahn windet sich entlang der Steilküste zum Hafen herunter, wo Holz, Kalkschotter und Kohle auf kleine Frachtschiffe verladen werden können. Nachdem die Eisenbahnstrecke den Bahnhof passiert hat, durchbricht sie mit einem Tunnel die Bergkette, um dem steinigen, fast ausgetrockneten Flusstal ins Inland zu folgen. Die Fläche des pazifischen Ozeans im Vordergrund kann aus Gründen der Zugänglichkeit reduziert werden. Es reicht beim Bau der Modellbahn das Wasser am Uferstreifen im Modell darzustellen. Neben dem kleinen Hafenort am Meer befindet sich etwas höher gelegen eine Anschlussbahn, die über eine Spitzkehre zu einer kleinen Bahnstation führt.
Die Spitzkehre und die Station an den Bergen wecken auch Erinnerungen an an die schmalspurige Waldeisenbahn von Alishan mit ihrer Stichlinie nach Chushan (祝山).
Diese Bahnstation dient heute nur noch dazu, die Morgensonnenanbeter zu früher Stunde auf den Berg zu bringen, damit diese den Sonnenaufgang über dem Yushan, den höchsten Berg Taiwans bewundern können. Holz wird hier seit langem nicht mehr abtransportiert.
Stationsgebäude der Anschlussbahn (A im Plan)
Taiwan inspiriert den Modellbahner an verschiedenen Orten, einen kleinen Bahnhof in den grün bewaldeten Bergen der Insel nachzubilden. Ein gutes Vorbild ist durchaus der Endbahnhof von Chingtung (菁桐).
Hier wurde noch bis vor einigen Jahrzehnten Kohle in Stollen abgebaut und verladen. Früher stiegen Arbeiter und Landbevölkerung hier ein und aus. Heute sind es überwiegend Tagestouristen aus Taipei.
Gut, dass die alte Eisenbahn Formosas im wesentlichen während der japanischen Kolonialzeit ab 1895 errichtet wurde. So bieten japanische Modellbahnhersteller vieles, was gut adaptiert werden kann. Eine hübsche ländliche Station, wie sie auch noch in Taiwan zu finden ist, gibt es beispielsweise als Modell von TOMYTEC.
Das Modell des RDC steht für den Kuang-Hua-Hao, den China-Rückgewinnungs-Express, der von Tokyu Car in Japan basierend auf Budds RDC gebaut und am 31.10.1966 zu Generalissimos Geburtstag in Dienst gestellt wurde. Bis zur Elektrifizierung der Strecke war er der schnellste Zug zwischen Taipei und Kaohsiung. 1979 wechselten die Triebwagen vom Typ DR2700 dann in untergeordnete Dienste.
Das Modell des RDC selber stammt von der japanischen Firma KATO und wurde von mir aus den USA bezogen, weil es in Deutschland nicht mehr lieferbar war. Das ist Globalisierung im Kleinen.
Verladeplatz (B)
Zum Bahnhof gehören auch Verlademöglichkeiten für Güter. Die Pingshi-Linie wurde zur Erschließung von Kohlevorkommen gebaut, deren Abbau zur Versorgung der Dampfschifffahrt und frühe Wirtschaftsentwicklung Taiwans von Bedeutung war. Im Jahr 2003 war die Kohleverladung in Chingtung (菁桐) allerdings seit Jahrzehnten außer Betrieb und nur noch eine Ruine.
Ein passendes Gegenstück für das Modell kann die Schotterverladung von Kibri sein, die in der Fundgrube meines Kellerarchivs vorhanden ist.
Im Übrigen sind auch die Kalksteinbrüche und Zementherstellung im Osten Taiwans ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, wobei die Maßstäblichkeit dieser Fabriken und Steinbrüche weder zum mittelständischen Schotterbetrieb in Spur N noch zur realen Situation in Chingtung (菁桐) passt.
Zusätzlich oder alternativ kann an dieser Stelle das Thema eines Holzverladeplatzes aufgegriffen werden. Mit der japanischen Kolonisierung wurden die Wälder Taiwans systematisch ausgeplündert. Riesige wertvolle Bäumen wurden geschlagen und aus den Berggebieten mit schmalspurigen Waldeisenbahnen oder Seilbahnen abtransportiert. Heute ist der Raubbau an den Wäldern aufgegeben. Genutzt wird im wesentlichen nur noch Treibholz, dass während der Taifun-Saison und Regenzeit mit den Flüssen aus den unzugänglichen Gebieten angeschwemmt wird. Der Aufwand und die Risiken der Holzgewinnung stehen vermutlich in keinem wirtschaftlichen Verhältnis mehr zum Nutzen. Und die Schönsten der alten Stämme wurden längst Möbel und sonstige Tischlerarbeit in Japan verarbeitet.
Früher befanden sich die Holzverladeplätze dort, wo die Rodungen stattfanden, wo Seilbahnen oder kleinere Anschlussbahnen endeten. Mit Kränen wurden die dicken Stämme auf die Waggons verladen. Das Bild aus Tucheng am Ende der Waldeisenbahn von Luodong zeigt, wie provisorisch und unaufgeräumt die Holzgewinnung damals in Taiwan stattfand.
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