Und vergängliche Schönheit am Sonne-Mond-See
Es gibt Orte in Europa, die bei vielen Asiaten hoch attraktiv und bekannt sind, aber von der durchschnittlichen westlichen Bevölkerung selber kaum wahrgenommen werden. So erging es mir, als ich auf Betreiben meiner Frau vor etlichen Jahren den Löwen von Luzern in der Schweiz besuchte. Busse voll mit Japanern, Koreanern, Chinesen, Taiwanern und und und steuern täglich dieses Ziel zum Besichtigen und Fotografieren an.
Das gilt auch für die Heerstraße in Bonn. Während der Kirschblüte in diesen Jahr hat die beste Ehefrau von allen im Strom der Besucher eine der vermeintlich schönsten Straßen der Welt bewundert. In der Tat ist das Frühjahr mit explodierenden Blüten, sich entfaltenden Blättern und frischem Grün sowie hervorschießenden Pflanzen die beeindruckendste Jahreszeit in unseren Breiten. Die kurze Zeit mit überbordenden Farben und Düften macht uns klar, wie vergänglich das Leben und wie schnell Lebenszyklen sind.
Einen Lebenszyklus scheint es auch beim Toilettenhaus im Toskana-Landhausstil am Sonnen-Mond-See zu geben, wie mir beim kürzlichen Vergleich von Fotografien aus verschiedenen Jahren auffiel. 2003 waren das Gebäude und seine Umgebung fast perfekt, um eine mediterrane Illusion aufzubauen. Aber was ist aus dem vermutlich schönsten Klohäuschen Taiwans geworden, was ich im Blog mehrmals anpries?
Schon etwas verblasst ist die Schönheit im Jahr 2007. Der markante Stein mit den chinesischen Zeichen „Sonne Mond See‟ wurde übrigens später zum Streitpunkt chinesischer Touristen, die nach der Öffnung Taiwans für den Reiseverkehr die Insel überfluteten. Tausende von ihnen und nur ein Stein als Fotorequisite und als beschriebener Beleg, für den Reiseort an dem sich der Fotografierte befindet, ging nicht auf. So hat die Verwaltung heute an vielen Orten rund um den See solche Steine aufgestellt, um den Urlaubern einen möglichst konfliktfreien Aufenthalt zu ermöglichen. An besonders stark frequentierten Orten erleichtern zudem Leitbänder die Orientierung zum Anstellen zur Fotoaufnahme.
Im Januar 2015: Zum Fotografieren für ein hübsches Urlaubsbilder ist das eigentlich nicht mehr geeignet. Was kann jetzt noch an Niedergang kommen? Läuft das Café gut, wird der Besitzer irgendwann entscheiden, das Gerümpel zur Seite zu schieben, sein gesamtes Ensemble von Bänken, Tischen, Stühlen, Sonnenschirmen und Anbauten an das WC-Häuschen einschließlich des Gebäudes selber niederzureißen und durch ein massives Gebäude zu ersetzen. Läuft das Geschäft schlecht, passiert das gleiche, aber es wird danach ein protziges Hotel mit Geschäften und Restaurants im Erdgeschoss errichtet. Obwohl es so aussieht, als wäre alles zugestellt: Der Weg ist geebnet, diesen ehemals freien und öffentlichen Raum, erhaben über dem Sonnen-Mond-See, der kapitalistischen Profitgier weiter preiszugeben. Schade, dass dies ohne Not, wie auch ohne Sinn für die Schönheit des Ortes und seiner Umgebung geschieht.
Wie die Frühjahrsblüten so kann auch die Schönheit von Plätzen vergehen. Anders als die herrlichen Farben und Düfte, die jedes Jahr wieder kommen, ist aber für den kleinen Park über dem See zu befürchten, dass der degenerative Bauprozess eben nicht in einen Zyklus mündet, sondern unumkehrbar tief nach unten geht.
Donnerstag, 30. April 2015
Sonntag, 26. April 2015
Kano in Düsseldorf
Begegnung mit Taiwans Filmkunst
Wei Te-Sheng, der Regisseur der Filme „Cape No. 7‟ und „Seediq Bale‟ sowie Produzent und einer der Drehbuchverfasser des Baseball-Epos Kano, besuchte Düsseldorf heute anläßlich der Aufführung des letzgenannten Werks und präsentierte sich der Öffentlichkeit.
Internationales Flair und reichlich Betrieb in Düsseldorfs beliebter Babbelteestube „BoboQ‟. Sherman Laobon hatte gut zu tun, wofür auch das schöne Aprilwetter der letzten Wochen sorgte. Er verkaufte die Kinokarten für „Kano‟, daher ist Filmposter im Hintergrund zu sehen.
Glück gehabt, denn die beste Ehefrau von allen konnte im „BoboQ‟ noch zwei Tickets für die Aufführung von „Kano‟ erwerben.
Der UFA-Palast in Düsseldorf wartet auf fast 300 am taiwanischen Film interessierte Menschen. Als die Vorsitzende des Taiwanvereins die Stimmer erhob und auf Mandarin begrüßte, fragte mich mein Sitznachbar, der nette Herr mit Gesichtstätowierung, der seinen Hut mit Totenkopfsticker so auf die Balustrade gelegt hatte, dass für mich fast das untere Viertel der Leinwand verdeckt war: „Äwenndjerr in deutsch?‟. „Wie bitte? Nein, Kano in Japanisch, Taiwanisch, Hakka und Ureinwohnersprachen mit englischen Untertiteln.‟ „Kino 7?‟ „Nein hier ist Kino 6. Die 7 ist nebenan.‟ Er sprang auf, nahm Hut und Mantel und verschwand rennend. Statt des Totenkopfmanns erschien Sekunden später als Sitznachbar ein befreundeter Musiker taiwanischer Herkunft. Wieder Glück gehabt!
Freie Sicht auf den Meister. Wei Te-Sheng wünscht dem Publikum angenehme Unterhaltung mit dem von ihm produzierten Film.
Zum Film selber hat bereits Klaus Bardenhagen geschrieben, wobei er in seinen Ausführungen die Rolle des japanischen Ingenieurs Yoichi Hatta herausstellt. Interessant finde ich seinen Vergleich der taiwanischen Baseball-Geschichte mit dem „Wunder von Bern‟. Sicherlich muss der Erfolg des Teams von der Insel Taiwan, aus der südlichen Provinzstadt Kagi, heute Chiayi, damals für die Menschen eine ähnliche Wirkung gehabt haben.
Taiwan ist vernarrt in Baseball und das wohl nicht erst mit dem Auftreten der US-Amerikaner in der Region nach dem Ende des zweiten Weltkriegs. Die Leidenschaft geht bis in die japanische Kolonialzeit zurück.
Meine Frau empfand die Geschichte als sehr japanisch, der Durchhaltewille, der Zusammenhalt und die Moral, die zum Tragen kommt. Mit europäischen Augen fällt es etwas schwerer die Multiethnik zu verstehen, die der Film als eine Botschaft haben soll. „Das sind doch alles Asiaten‟, denkt Luo You. Japaner, Han-Chinesen, Hakka und Ureinwohner sind mit platten westlichen Blick kaum zu unterscheiden. „Anders rum genauso‟, erwidert die beste Ehefrau zu Luo You. „Manche deiner Verwandten könnten mit ihren schwarzen Haaren, braunen Augen und dunkleren Haut auch als Türken durchgehen.‟ Überhaupt war es schwierig, meiner Frau in den ersten Jahren den (visuellen) Unterschied zwischen Altdeutschen und Zugewanderten zu verdeutlichen.
Mit der Geschichte des Baseball-Teams von „Kano‟ (als Abkürzung von „Kagi Agriculture‟) wird aus meiner Sicht wieder versucht, das Besondere und Eigenständige der taiwanischen Gesellschaft herauszuarbeiten. Baseball, die japanische Kolonialgeschichte und die, wenn auch erzwungene, Teilhabe der Bevölkerung auf Seiten Japans im zweiten Weltkrieg, eine Vielfalt von Sprachen, dem das Mandarin nicht fehlte, um sich zu verständigen, sind Eigenschaften, die Taiwan von China absetzen. Genauso werden Fakten gezeigt, womit sich Taiwans Bevölkerung von Japan distanziert, wie der Volksglaube, das soziale Zusammenleben und die subtropische Agrargesellschaft mit ihren besonderen Nöten, Wünschen und Ergebnissen. Insofern wird von den Filmemachern ein neuer protaiwanischer Kultur-Baustein gesetzt.
Aber es ist auch ein bischen „Hollywood‟, wenn die Guten gegen die Bösen kämpfen. Diskriminierung aufgrund der unterschiedlichen Herkunft unterliegt am Ende. Rohe Gewalt beugt sich dem edlen Kampf auf dem Baseball-Feld. Teamgeist schlägt den Eigensinn. Das mögen wir. Und so vergehen relativ kurzweilig über drei Filmstunden.
Danach gab es noch Gelegenheit zum Gespräch mit dem Meisterregisseur, Signieren von Autogrammkarten, mitgebrachten DVDs oder für gemeinsame Fotos.
Diese Gelegenheit zum Fotografieren und Signieren haben wir gerne genutzt. Nach Steven Spielberg (als Statist bei den Dreharbeiten zu „The Last Crusade‟ in Spanien), Christoph Schlingensief (Volksbühne Berlin) und Berengar Pfahl ist Wei Te-Sheng nunmehr der vierte und gewiss der unauffälligste Filmregisseur, dem ich in meinem Leben Gesicht-zu-Gesicht gegenüber gestanden habe. Jedenfalls tragen jetzt unsere DVD-Schachteln seine Signatur.
Wei Te-Sheng, der Regisseur der Filme „Cape No. 7‟ und „Seediq Bale‟ sowie Produzent und einer der Drehbuchverfasser des Baseball-Epos Kano, besuchte Düsseldorf heute anläßlich der Aufführung des letzgenannten Werks und präsentierte sich der Öffentlichkeit.
Internationales Flair und reichlich Betrieb in Düsseldorfs beliebter Babbelteestube „BoboQ‟. Sherman Laobon hatte gut zu tun, wofür auch das schöne Aprilwetter der letzten Wochen sorgte. Er verkaufte die Kinokarten für „Kano‟, daher ist Filmposter im Hintergrund zu sehen.
Glück gehabt, denn die beste Ehefrau von allen konnte im „BoboQ‟ noch zwei Tickets für die Aufführung von „Kano‟ erwerben.
Der UFA-Palast in Düsseldorf wartet auf fast 300 am taiwanischen Film interessierte Menschen. Als die Vorsitzende des Taiwanvereins die Stimmer erhob und auf Mandarin begrüßte, fragte mich mein Sitznachbar, der nette Herr mit Gesichtstätowierung, der seinen Hut mit Totenkopfsticker so auf die Balustrade gelegt hatte, dass für mich fast das untere Viertel der Leinwand verdeckt war: „Äwenndjerr in deutsch?‟. „Wie bitte? Nein, Kano in Japanisch, Taiwanisch, Hakka und Ureinwohnersprachen mit englischen Untertiteln.‟ „Kino 7?‟ „Nein hier ist Kino 6. Die 7 ist nebenan.‟ Er sprang auf, nahm Hut und Mantel und verschwand rennend. Statt des Totenkopfmanns erschien Sekunden später als Sitznachbar ein befreundeter Musiker taiwanischer Herkunft. Wieder Glück gehabt!
Freie Sicht auf den Meister. Wei Te-Sheng wünscht dem Publikum angenehme Unterhaltung mit dem von ihm produzierten Film.
Zum Film selber hat bereits Klaus Bardenhagen geschrieben, wobei er in seinen Ausführungen die Rolle des japanischen Ingenieurs Yoichi Hatta herausstellt. Interessant finde ich seinen Vergleich der taiwanischen Baseball-Geschichte mit dem „Wunder von Bern‟. Sicherlich muss der Erfolg des Teams von der Insel Taiwan, aus der südlichen Provinzstadt Kagi, heute Chiayi, damals für die Menschen eine ähnliche Wirkung gehabt haben.
Taiwan ist vernarrt in Baseball und das wohl nicht erst mit dem Auftreten der US-Amerikaner in der Region nach dem Ende des zweiten Weltkriegs. Die Leidenschaft geht bis in die japanische Kolonialzeit zurück.
Meine Frau empfand die Geschichte als sehr japanisch, der Durchhaltewille, der Zusammenhalt und die Moral, die zum Tragen kommt. Mit europäischen Augen fällt es etwas schwerer die Multiethnik zu verstehen, die der Film als eine Botschaft haben soll. „Das sind doch alles Asiaten‟, denkt Luo You. Japaner, Han-Chinesen, Hakka und Ureinwohner sind mit platten westlichen Blick kaum zu unterscheiden. „Anders rum genauso‟, erwidert die beste Ehefrau zu Luo You. „Manche deiner Verwandten könnten mit ihren schwarzen Haaren, braunen Augen und dunkleren Haut auch als Türken durchgehen.‟ Überhaupt war es schwierig, meiner Frau in den ersten Jahren den (visuellen) Unterschied zwischen Altdeutschen und Zugewanderten zu verdeutlichen.
Mit der Geschichte des Baseball-Teams von „Kano‟ (als Abkürzung von „Kagi Agriculture‟) wird aus meiner Sicht wieder versucht, das Besondere und Eigenständige der taiwanischen Gesellschaft herauszuarbeiten. Baseball, die japanische Kolonialgeschichte und die, wenn auch erzwungene, Teilhabe der Bevölkerung auf Seiten Japans im zweiten Weltkrieg, eine Vielfalt von Sprachen, dem das Mandarin nicht fehlte, um sich zu verständigen, sind Eigenschaften, die Taiwan von China absetzen. Genauso werden Fakten gezeigt, womit sich Taiwans Bevölkerung von Japan distanziert, wie der Volksglaube, das soziale Zusammenleben und die subtropische Agrargesellschaft mit ihren besonderen Nöten, Wünschen und Ergebnissen. Insofern wird von den Filmemachern ein neuer protaiwanischer Kultur-Baustein gesetzt.
Aber es ist auch ein bischen „Hollywood‟, wenn die Guten gegen die Bösen kämpfen. Diskriminierung aufgrund der unterschiedlichen Herkunft unterliegt am Ende. Rohe Gewalt beugt sich dem edlen Kampf auf dem Baseball-Feld. Teamgeist schlägt den Eigensinn. Das mögen wir. Und so vergehen relativ kurzweilig über drei Filmstunden.
Danach gab es noch Gelegenheit zum Gespräch mit dem Meisterregisseur, Signieren von Autogrammkarten, mitgebrachten DVDs oder für gemeinsame Fotos.
Diese Gelegenheit zum Fotografieren und Signieren haben wir gerne genutzt. Nach Steven Spielberg (als Statist bei den Dreharbeiten zu „The Last Crusade‟ in Spanien), Christoph Schlingensief (Volksbühne Berlin) und Berengar Pfahl ist Wei Te-Sheng nunmehr der vierte und gewiss der unauffälligste Filmregisseur, dem ich in meinem Leben Gesicht-zu-Gesicht gegenüber gestanden habe. Jedenfalls tragen jetzt unsere DVD-Schachteln seine Signatur.
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Donnerstag, 2. April 2015
Secretos de Porco
plus „Pay two, get one‟
In gewisser Hinsicht geht den europäischen Mittelmeerländer das Vorurteil voraus, die Dinge nicht ordentlich geregelt zu bekommen. Die großen Jahrhunderte der Seefahrernationen Spanien und Portugal, was immerhin Formosa den Namen gab, sind längst vorbei. Vom Reichtum aus dem Handel mit Indien und der Ausbeutung Südamerikas ist wenig übrig geblieben.
Die konservativ-autoritäre Diktatur Salazars, der Isolationismus und die teuren Kolonialkriege Portugals, die Phasen der Neuorientierung nach der Nelkenrevolution 1974 und der nachfolgende Demokratisierung haben sicherlich zuletzt dazu beigetragen, dass Portugal in der sozialen und ökonomischen Entwicklung zurückfiel.
Rückfahrt nach dem Ausflug zum Westtellerrand der Erde mit der Straßenbahn über Colares nach Sintra: Gefordert ist in Portugal das klare Handzeichen, um das Verkehrsmittel anzuhalten und jede Verwechselung mit einem fotografierenden „Tramway Spotter‟ auszuchließen. Die antike Tram ist heute nicht mehr ein unverzichtbares Verkehrsmittel in einem rückständigen Land. Sie ist schon längst zur Museumsstraßenbahn geworden, die von den Portugiesen zum Erhalt ihres technisch-kulturellen Erbes finanziert werden kann.
Insbesondere durch die europäische Integration sowie die Chancen als Brückenkopf nach Südamerika und Afrika hat das Land aufgeholt, auch wenn Armut und Depression, Verfall und Ungleichheit weiter bestehen und partiell noch wachsen dürften.
Diese Widersprüche reflektiert auch die Hauptstadt Lissabon. Um die alten Stadtviertel hat sich ein Ring von neuen hochverdichteten Vorstädten, Einkaufs- und Arbeitsplatzzentren sowie Autobahnen und Schnellbahnen gelegt, wie es sie auch in Taipei oder Berlin gibt. Dennoch hat Lissabon viel Einmaliges und Eigentümliches, dass den Besuch und auch die Wiederkehr lohnt.
Die steilen Hügel der Altstadt und die Vororte nach Westen werden von den Straßenbahnlinien der Verkehrsgesellschaft „Carris‟ erschlossen. Die meisten Linien der Straßenbahn werden von modernisierten zweiachsigen Elektrotriebwagen befahren. Die technische Modernisierung liegt nun immerhin auch schon zwanzig Jahre zurück. Allein auf der Linie 15E nach Belém und Algés im Westen fahren Niederflurgelenktriebwagen, die 1995 als erste Neubeschaffung nach 1964 erworben wurden. Als historische Monumente bestehen zudem drei Standseilbahnen in der Innenstadt, die der durchschnittliche Fußgänger in wenigen Minuten ablaufen kann.
In stärkerem Maße bedeutsam für die Wirtschaftsentwicklung Lissabons und die Mobilität der Bevölkerung sind als Massenverkehrsmittel die elektrischen Vororteisenbahnen, quasi S-Bahnen, die Untergrundbahnen und verschiedenen Buslinien. Daran, wo sich die Linien mit Passagieren füllen und leeren, wird schnell erkennbar, dass die Altstadt nicht mehr der Impulsgeber für das moderne Lissabon sein kann. Die schmalen Gassen, engen Straßenräume und fehlenden Entwicklungsmöglichkeiten schränken zu sehr ein.
Wer beim zufälligen Straßenbahntrip mit der Altstadtlinie 28 vom „Palácio da Assambleia Nacional‟ nach „Martim Moniz‟ fünfmal erlebt, wie die Schienen mit Autos und Lieferwagen ohne Respekt zugeparkt werden und der Straßenbahnfahrer dann nur wartend auf die Bimmel hauen kann, sieht wieweit diese Strukturen vom modernen Wirtschaftsleben entfernt sind.
Längst „spielt die Musik‟ diesbezüglich im Gürtel um Lissabon und den Achsen nach Casceis, Sintra und Oriente. Ob hier der Ausbau insbesondere der Metro und weiteren technischen wie auch sozialen Infrastruktur angesichts der finanziell nötigen Aufwendungen und dem Sparzwang andererseits mithalten wird, ist fraglich.
Erkennbar ist, dass nach den vielen Investitionen in den 1990er Jahren, sich der Staat in den letzten Jahrzehnten einer neoliberalistisch orientierten Wirtschaftspolitik entsprechend mehr Zurückhaltung verordnet hat – mit den bereits beschriebenen Folgen eines Auseinanderdriftens in der Gesellschaft zwischen Armut und Reichtum (Wer kann sich einen Zooeintritt von 19 Euro leisten?), zwischen städtebaulichen Verfall und Boom, wirtschaftlicher Zukunftslosigkeit und Konzentration des Kapitals.
Statt Zoobesuch Entenfüttern im Park: Die frei zugänglichen öffentlichen Gärten sind Dank der tierliebenden Lissaboner mit Federvieh übervölkert und an einigen Stellen ziemlich zugeschissen. Gut, dass es bisher fast nur Tauben und Enten sind. Gänse, die etwa den Köbogen in Düsseldorf übernommen haben, koten dicker.
Akrobatik zur Einkommensverbesserung an der Autobahnausfahrt: Rechtzeitig vor der Grünphase klopft die Darstellerin an die Scheiben, um einen kleinen Obulus für ihre Vorführung zu erbitten. Immer noch besser als angebissene Hamburger in der „Food Mall‟ des nächsten Einkaufszentrums zu suchen oder sich zu prostituieren, dachte Luo You, wobei ihm auch die Pfandflaschen einsammelnden Rentner und Hartz-IV-Empfänger aus Deutschland in den Sinn kamen.
Internationale Handelsketten in Lisbonner Hausruinen: Der Eingang mit dem kleinen Schild „LIDL‟ ließ eine aus der Zeit gekommene Kolonialwarenhandlung erwarten. Innen überraschte das Geschäft nicht nur mit einem zeitgemäßen Ausbau und einer Großflächigkeit entsprechend den deutschen Filialen. Vielmehr bot es auch ein hervorragendes Angebot von portugiesischen Weinen, regionalen Spezialitäten, Meeresfrüchten und Fischen, wie dem berühmten Stockfisch, dem „Bacalhau‟.
Bei soviel Stock... äh Haifischkapitalismus und sozialen Themen ist auch der Tourist gefordert besonders aufzupassen, nicht nur auf die Taschendieben, vor denen in Aushängen durch Straßenbahnen oder in allen Reiseführern gewarnt wird. Touristenfallen können an jeder Ecke aufgestellt sein. Dass bei den Spaniern schon mal etwas beim Organisieren, Frühstück machen oder Rechnen durcheinander gerät, ist dem Autor aus eigener Reiseerfahrung durchaus bekannt. Aus den Lusitaniern sind wir nicht so richtig schlau geworden. War es nur ein einfaches Verrechnen zu unseren Ungunsten? Zu oft passierte dies in den wenigen Tagen. Das unbestellte Vorspeisen bezahlt werden müssen, kannte der Autor dieser Zeilen schon aus früheren Jahren in Italien. Da wird zum Teil saftig zugeschlagen. Nette Restaurants weisen in Portugal darauf hin.
Bestellt und erkennbar auf dem Tisch sind eine Suppe, eine Quiche mit Salat, eine einfache Quiche, ein Milchkaffee und ein Wasser.
Die „Secretos de Porco‟, die Geheimnisse des Schweins auf der Rechnung werden für immer ein Geheimnis bleiben. Erst nach dem Verlassen des Bistros in der Nähe der Lissaboner Burg „Castelo de São Jorge‟ und dem innerlichen Nachrechnen stellte ich den ungerechtfertigten Zuschlag von 9,40 Euro fest, den ich mir natürlich zurückgeholt habe. Angeblich waren die schweinischen Geheimnisse noch vom letzten Kunden ein offener Posten in der Kasse. Ohne Getränke und Extras?
Na jedenfalls haben wir seitdem die Rechnungen besser überprüft.
„Pasteis de Nata‟ am „Tejo‟: Im Einkaufszentrum „Vasco da Gama‟ war die Rechnung für die „Pasteis‟ richtig, aber Inhalt in der Tüte falsch. Nur einen „Pasteis de Nata‟, ein portugiesisches Vanilletörtchen gab es im Einkaufszentrum. Zwei waren bestellt, zwei wurden bezahlt. In der Tüte fand sich aber nur ein aufgewärmtes Törtchen wieder. Also wieder zurück und das zweite abgeholt.
Die Häufung solcher Vorfälle, von denen hier nur zwei beispielhaft dargestellt sind, war schon auffällig, aber kann natürlich durchaus nur reiner Zufall gewesen sein. Immerhin gibt es auch gute Erlebnisse.
So in Belem: Während die Törtchen im Laden besorgt werden, können die Ehemänner draußen mit den Digitalkameras spielen und die Schönheiten des Landes fotografieren.
6 „Pasteis der Belem‟ bezahlt, 6 außergewöhnlich leckere „Pasteis de Belem‟ (nicht zu süß, sehr knusprig, alles in den richtigen Proportionen) bekommen, dazu noch in einer schönen Verpackung und Originaltüte mit der Aufschrift „Pasteis de Belem‟. Der bekannte Laden ist wirklich zu empfehlen, wobei der Preis trotz Berühmheit der Bäckerei im Rahmen dessen lag, was auch im Einkaufszentrum gefordert wurde. LIDL war billiger (0,39 Cent / Stück). Deren „Pasteis de Nata‟ haben uns gut geschmeckt haben. Sie waren nach unserem Geschmack deutlich besser als die aus dem Einkaufszentrum.
Faire Rechnung, landestypische Mengen im Restaurant so wie in Deutschland, gutes rustikales portugiesisches Essen, tolle Beratung und Empfehlungen durch die Bedienung: das Restaurant Valbom in der Avenida Conde de Valbom 112 kann ebenfalls weiter empfohlen werden.
Überraschung am Ende: Bei der Sicherheitskontrolle des Flughafen Lissabon galt es die Wanderschuhe auszuziehen und im Röntgengerät durchleuchten zu lassen. Ersatzweise gab es Fußpräservative für den Weg durch den Metalldetektor. Dies sorgte aber zunächst für Irritationen, wenn die Wanderschuhe abgegeben werden müssen und stattdessen zwei blaue Duschhauben angeboten werden. So gab es viele Erst- oder Einmaligkeit in diesem so abseits gelegenen und bisher so unbekannten Land am westlichen Tellerrand.
In gewisser Hinsicht geht den europäischen Mittelmeerländer das Vorurteil voraus, die Dinge nicht ordentlich geregelt zu bekommen. Die großen Jahrhunderte der Seefahrernationen Spanien und Portugal, was immerhin Formosa den Namen gab, sind längst vorbei. Vom Reichtum aus dem Handel mit Indien und der Ausbeutung Südamerikas ist wenig übrig geblieben.
Die konservativ-autoritäre Diktatur Salazars, der Isolationismus und die teuren Kolonialkriege Portugals, die Phasen der Neuorientierung nach der Nelkenrevolution 1974 und der nachfolgende Demokratisierung haben sicherlich zuletzt dazu beigetragen, dass Portugal in der sozialen und ökonomischen Entwicklung zurückfiel.
Rückfahrt nach dem Ausflug zum Westtellerrand der Erde mit der Straßenbahn über Colares nach Sintra: Gefordert ist in Portugal das klare Handzeichen, um das Verkehrsmittel anzuhalten und jede Verwechselung mit einem fotografierenden „Tramway Spotter‟ auszuchließen. Die antike Tram ist heute nicht mehr ein unverzichtbares Verkehrsmittel in einem rückständigen Land. Sie ist schon längst zur Museumsstraßenbahn geworden, die von den Portugiesen zum Erhalt ihres technisch-kulturellen Erbes finanziert werden kann.
Insbesondere durch die europäische Integration sowie die Chancen als Brückenkopf nach Südamerika und Afrika hat das Land aufgeholt, auch wenn Armut und Depression, Verfall und Ungleichheit weiter bestehen und partiell noch wachsen dürften.
Diese Widersprüche reflektiert auch die Hauptstadt Lissabon. Um die alten Stadtviertel hat sich ein Ring von neuen hochverdichteten Vorstädten, Einkaufs- und Arbeitsplatzzentren sowie Autobahnen und Schnellbahnen gelegt, wie es sie auch in Taipei oder Berlin gibt. Dennoch hat Lissabon viel Einmaliges und Eigentümliches, dass den Besuch und auch die Wiederkehr lohnt.
Die steilen Hügel der Altstadt und die Vororte nach Westen werden von den Straßenbahnlinien der Verkehrsgesellschaft „Carris‟ erschlossen. Die meisten Linien der Straßenbahn werden von modernisierten zweiachsigen Elektrotriebwagen befahren. Die technische Modernisierung liegt nun immerhin auch schon zwanzig Jahre zurück. Allein auf der Linie 15E nach Belém und Algés im Westen fahren Niederflurgelenktriebwagen, die 1995 als erste Neubeschaffung nach 1964 erworben wurden. Als historische Monumente bestehen zudem drei Standseilbahnen in der Innenstadt, die der durchschnittliche Fußgänger in wenigen Minuten ablaufen kann.
In stärkerem Maße bedeutsam für die Wirtschaftsentwicklung Lissabons und die Mobilität der Bevölkerung sind als Massenverkehrsmittel die elektrischen Vororteisenbahnen, quasi S-Bahnen, die Untergrundbahnen und verschiedenen Buslinien. Daran, wo sich die Linien mit Passagieren füllen und leeren, wird schnell erkennbar, dass die Altstadt nicht mehr der Impulsgeber für das moderne Lissabon sein kann. Die schmalen Gassen, engen Straßenräume und fehlenden Entwicklungsmöglichkeiten schränken zu sehr ein.
Wer beim zufälligen Straßenbahntrip mit der Altstadtlinie 28 vom „Palácio da Assambleia Nacional‟ nach „Martim Moniz‟ fünfmal erlebt, wie die Schienen mit Autos und Lieferwagen ohne Respekt zugeparkt werden und der Straßenbahnfahrer dann nur wartend auf die Bimmel hauen kann, sieht wieweit diese Strukturen vom modernen Wirtschaftsleben entfernt sind.
Längst „spielt die Musik‟ diesbezüglich im Gürtel um Lissabon und den Achsen nach Casceis, Sintra und Oriente. Ob hier der Ausbau insbesondere der Metro und weiteren technischen wie auch sozialen Infrastruktur angesichts der finanziell nötigen Aufwendungen und dem Sparzwang andererseits mithalten wird, ist fraglich.
Erkennbar ist, dass nach den vielen Investitionen in den 1990er Jahren, sich der Staat in den letzten Jahrzehnten einer neoliberalistisch orientierten Wirtschaftspolitik entsprechend mehr Zurückhaltung verordnet hat – mit den bereits beschriebenen Folgen eines Auseinanderdriftens in der Gesellschaft zwischen Armut und Reichtum (Wer kann sich einen Zooeintritt von 19 Euro leisten?), zwischen städtebaulichen Verfall und Boom, wirtschaftlicher Zukunftslosigkeit und Konzentration des Kapitals.
Statt Zoobesuch Entenfüttern im Park: Die frei zugänglichen öffentlichen Gärten sind Dank der tierliebenden Lissaboner mit Federvieh übervölkert und an einigen Stellen ziemlich zugeschissen. Gut, dass es bisher fast nur Tauben und Enten sind. Gänse, die etwa den Köbogen in Düsseldorf übernommen haben, koten dicker.
Akrobatik zur Einkommensverbesserung an der Autobahnausfahrt: Rechtzeitig vor der Grünphase klopft die Darstellerin an die Scheiben, um einen kleinen Obulus für ihre Vorführung zu erbitten. Immer noch besser als angebissene Hamburger in der „Food Mall‟ des nächsten Einkaufszentrums zu suchen oder sich zu prostituieren, dachte Luo You, wobei ihm auch die Pfandflaschen einsammelnden Rentner und Hartz-IV-Empfänger aus Deutschland in den Sinn kamen.
Internationale Handelsketten in Lisbonner Hausruinen: Der Eingang mit dem kleinen Schild „LIDL‟ ließ eine aus der Zeit gekommene Kolonialwarenhandlung erwarten. Innen überraschte das Geschäft nicht nur mit einem zeitgemäßen Ausbau und einer Großflächigkeit entsprechend den deutschen Filialen. Vielmehr bot es auch ein hervorragendes Angebot von portugiesischen Weinen, regionalen Spezialitäten, Meeresfrüchten und Fischen, wie dem berühmten Stockfisch, dem „Bacalhau‟.
Bei soviel Stock... äh Haifischkapitalismus und sozialen Themen ist auch der Tourist gefordert besonders aufzupassen, nicht nur auf die Taschendieben, vor denen in Aushängen durch Straßenbahnen oder in allen Reiseführern gewarnt wird. Touristenfallen können an jeder Ecke aufgestellt sein. Dass bei den Spaniern schon mal etwas beim Organisieren, Frühstück machen oder Rechnen durcheinander gerät, ist dem Autor aus eigener Reiseerfahrung durchaus bekannt. Aus den Lusitaniern sind wir nicht so richtig schlau geworden. War es nur ein einfaches Verrechnen zu unseren Ungunsten? Zu oft passierte dies in den wenigen Tagen. Das unbestellte Vorspeisen bezahlt werden müssen, kannte der Autor dieser Zeilen schon aus früheren Jahren in Italien. Da wird zum Teil saftig zugeschlagen. Nette Restaurants weisen in Portugal darauf hin.
Bestellt und erkennbar auf dem Tisch sind eine Suppe, eine Quiche mit Salat, eine einfache Quiche, ein Milchkaffee und ein Wasser.
Die „Secretos de Porco‟, die Geheimnisse des Schweins auf der Rechnung werden für immer ein Geheimnis bleiben. Erst nach dem Verlassen des Bistros in der Nähe der Lissaboner Burg „Castelo de São Jorge‟ und dem innerlichen Nachrechnen stellte ich den ungerechtfertigten Zuschlag von 9,40 Euro fest, den ich mir natürlich zurückgeholt habe. Angeblich waren die schweinischen Geheimnisse noch vom letzten Kunden ein offener Posten in der Kasse. Ohne Getränke und Extras?
Na jedenfalls haben wir seitdem die Rechnungen besser überprüft.
„Pasteis de Nata‟ am „Tejo‟: Im Einkaufszentrum „Vasco da Gama‟ war die Rechnung für die „Pasteis‟ richtig, aber Inhalt in der Tüte falsch. Nur einen „Pasteis de Nata‟, ein portugiesisches Vanilletörtchen gab es im Einkaufszentrum. Zwei waren bestellt, zwei wurden bezahlt. In der Tüte fand sich aber nur ein aufgewärmtes Törtchen wieder. Also wieder zurück und das zweite abgeholt.
Die Häufung solcher Vorfälle, von denen hier nur zwei beispielhaft dargestellt sind, war schon auffällig, aber kann natürlich durchaus nur reiner Zufall gewesen sein. Immerhin gibt es auch gute Erlebnisse.
So in Belem: Während die Törtchen im Laden besorgt werden, können die Ehemänner draußen mit den Digitalkameras spielen und die Schönheiten des Landes fotografieren.
6 „Pasteis der Belem‟ bezahlt, 6 außergewöhnlich leckere „Pasteis de Belem‟ (nicht zu süß, sehr knusprig, alles in den richtigen Proportionen) bekommen, dazu noch in einer schönen Verpackung und Originaltüte mit der Aufschrift „Pasteis de Belem‟. Der bekannte Laden ist wirklich zu empfehlen, wobei der Preis trotz Berühmheit der Bäckerei im Rahmen dessen lag, was auch im Einkaufszentrum gefordert wurde. LIDL war billiger (0,39 Cent / Stück). Deren „Pasteis de Nata‟ haben uns gut geschmeckt haben. Sie waren nach unserem Geschmack deutlich besser als die aus dem Einkaufszentrum.
Faire Rechnung, landestypische Mengen im Restaurant so wie in Deutschland, gutes rustikales portugiesisches Essen, tolle Beratung und Empfehlungen durch die Bedienung: das Restaurant Valbom in der Avenida Conde de Valbom 112 kann ebenfalls weiter empfohlen werden.
Überraschung am Ende: Bei der Sicherheitskontrolle des Flughafen Lissabon galt es die Wanderschuhe auszuziehen und im Röntgengerät durchleuchten zu lassen. Ersatzweise gab es Fußpräservative für den Weg durch den Metalldetektor. Dies sorgte aber zunächst für Irritationen, wenn die Wanderschuhe abgegeben werden müssen und stattdessen zwei blaue Duschhauben angeboten werden. So gab es viele Erst- oder Einmaligkeit in diesem so abseits gelegenen und bisher so unbekannten Land am westlichen Tellerrand.
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